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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Stadt zusammengeholten Frauen aus dem Keller gekommen, um die unersetzlichen Kunstwerke im Schloß zu sichern. Fieberhaft arbeiteten sie, in Kittelkleidern, ihr Haar mit einem Kopftuch zurückgehalten und immer wieder in die Ferne lauschend, ob nicht wieder eine Welle des Todes aus der Luft über Puschkin erschien.
    An einen Abtransport der noch im Katharinen-Palast vorhandenen Schätze war nicht mehr zu denken. Die 1. Panzerdivision stand wenige Kilometer von Zarskoje Selo entfernt und bereitete sich auf den entscheidenden Angriff vor. Die SS-Polizei-Division marschierte vor dem Nordteil von Puschkin auf, Panzerspitzen schossen bereits in die Stadt. Zu retten war nichts mehr. Jetzt konnten die Schätze nur noch vor der Zerstörung geschützt werden.
    Die Frauen deckten die wertvollen Intarsienböden mit einer dicken Sandschicht ab, füllten die großen China-Vasen mit Wasser, verklebten die mit Seide und Brokat bespannten Wände mit Pappe, zogen Stoffbezüge über die historischen Möbel und verhängten die Regale und Schränke der einmaligen Zarenbibliotheken. Sowjetische Offiziere, die sich auf dem Rückzug kurz in einigen Sälen aufhielten und von hier aus mit den kämpfenden Truppen in Telefonverbindung standen, hetzten durch Zimmer und Gänge, bereit, sofort in die vor dem Palast wartenden Wagen zu springen und sich nach Leningrad zurückzuziehen.
    Aufatmend lehnte sich Michael Wachter an eine der holzverschalten Wandtafeln des Bernsteinzimmers und sah den Frauen zu, wie sie den Sand auf den herrlichen Böden verteilten. Morgen, dachte er. Oder übermorgen … länger wird's nicht dauern. Dann stehen hier deutsche Soldaten, werden die Deckengemälde begaffen und die Holztafeln herunterreißen, um zu sehen, was sich dahinter verbirgt. Und sie werden sprachlos vor dieser Pracht aus Bernstein stehen, vielleicht einen Augenblick von Ergriffenheit gefangen sein, aber dann wird das große Plündern beginnen, die Vernichtung des schönsten Saales, den die Welt bisher kannte.
    Wachter war ein mittelgroßer, etwas dicklicher Mann von beinahe 55 Jahren, das Haar war dunkelblond ohne einen Schimmer Grau. Den muskulösen Oberkörper umspannte ein blauweiß gestreiftes Hemd, dessen Ärmel er bis über die Ellbogen hochgekrempelt hatte, und wenn er deutsch sprach, klang es sehr hart wie bei vielen Menschen, die im Osten aufgewachsen waren und deren zweite Muttersprache das Russische war.
    Noch in der Betrachtung der Deckengemälde versunken, schrak er zusammen, als ihn auf russisch eine Stimme ansprach.
    »Sie wollen tatsächlich hier bleiben, Michail Igorowitsch?«
    Wachter nickte stumm. Vor ihm stand Oberst Nikolaj Michajlowitsch Limonow, der Kommandeur der Brigade, die den Auftrag hatte, den Rückzug der sowjetischen Truppen aus dem Raum Puschkin nach Leningrad zu decken. Seine Rotarmisten waren eine verlorene Truppe, ausgelaugt von den schweren Abwehrkämpfen, Mensch gegen deutsche Panzer, Panzerabwehrkanonen und Minen gegen stählerne Ungeheuer. Aber sie wußten, daß nur ihr Opfer die Stadt retten konnte. Jeder Tag, jede Stunde waren wertvoll. Hunderttausende bauten um Leningrad die neuen Gräben und Bunker, Panzerfallen und Artilleriestellungen, drei Verteidigungsringe hintereinander, in denen sich die Deutschen festbeißen würden. Es war September, der 15. im Jahre 1941, und die Menschen starrten in den Himmel und beteten stumm: Herr, laß es regnen. Früher als sonst. Warte nicht mehr bis Oktober, bis der große Regen alle Wege und Straßen unpassierbar macht, die Fuhrwerke im tiefen Morast steckenbleiben und selbst die Panzer mit ihren breiten Ketten sich nur in den Schlamm wühlen und in ihm versinken. Dann gibt es kein Vorwärts mehr, dann werden die Aggressoren Leningrad nicht mehr erreichen, und nach dem Regen wird der Winter kommen, die Schneestürme werden über das Land heulen, vereist werden sie, die deutschen Armeen, kämpfend gegen einen unbesiegbaren Gegner: die Natur. Leningrad wird gerettet sein … laß es regnen, Herr, öffne die Wolken, laß die Deutschen ertrinken! Jetzt bitte, jetzt und nicht erst im Oktober. Hilf uns, Gott!
    »Meine Pflicht ist es, Genosse Oberst«, antwortete Wachter und stieß sich von der Bretterwand ab. »Bei meinem Bernsteinzimmer muß ich bleiben.«
    »Man wird Sie ohne zögern erschießen.«
    »Warum? Ich kann nachweisen, daß ich ein Deutscher bin.«
    »In russischen Diensten?«
    »Viele Deutsche haben in den vergangenen Jahrhunderten den Zaren gedient. Generäle,

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