Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Sibirien.«
    »Vielleicht später«, sagte Wachter trocken. »Froh werden wir sein, wenn wir mit dem alten Wagen von Berlin aus Leningrad erreichen.«
    »Nach Leningrad wollt ihr, Genossen? Welch ein Weg!«
    »Wir sind von Leningrad bis hierher gekommen, dann geht's auch zurück. Genauer gesagt: Puschkin ist das Ziel.«
    »Dann gute Fahrt, Genossen.« Der Oberleutnant gab Jana und Wachter die Hand. Einen langen Blick warf er über ihre schäbige Kleidung. Einen Beauftragten mit so vielen Stempeln stellte man sich anders vor. »Wer unterstützt Sie eigentlich?«
    »Sie, Genosse Oberleutnant, zum Beispiel.« Jana lachte ihn an. »Wir brauchen Benzin, Motoröl, Brot, Butter, Marmelade, Wurst, Büchsenfleisch, Gurken, Zwiebeln …«
    »Geräucherten Stör und Kaviar vom Asowschen Meer …«
    »Auch gut, Genosse.«
    »Einen Schein stelle ich aus«, sagte der Oberleutnant und bremste seine Heiterkeit ab. »Den legen Sie dem Stadtkommandanten von Saalfeld vor. Er wird Ihnen Lebensmittelkarten geben, damit können Sie überall einkaufen oder in einem Hotel und einem Restaurant essen, wenn Sie ein offenes finden.«
    »Es wäre praktischer, von Lager zu Lager der Roten Armee zu fahren und dort zu essen.«
    »Versuchen Sie es, Genossen.« Der Oberleutnant grinste verlegen. »Sie kommen von den Amerikanern, sind verwöhnt, nicht wahr? Die haben zehnmal mehr zu essen als wir, ihre Verbündeten.« Er hob resignierend die Schultern. »Aber eine Kascha werdet ihr bekommen oder eine Kapusta. Legt schnell die Verwöhntheit ab, Genossen. Am fetten Topf degeneriert man zu schnell –«
    Zwei Wochen waren sie unterwegs, schliefen in Kasernen oder Feldlagern der Roten Armee, aßen mit den Offizieren, erzählten vom Bernsteinzimmer. In Berlin bekamen sie von der Zentralstelle der sowjetischen Verwaltung neue, richtigsitzende Kleidung. Einmal hielt Wachter im Offizierskasino von Karlshorst einen Vortrag über Puschkin, den Katharinen-Palast und das Bernsteinzimmer, was ihnen einen anderen Wagen einbrachte, einen Beutewagen Marke Horch, ein geradezu luxuriöses Fahrzeug mit sowjetischer Militärnummer. Noch ein paar Stempel mehr drückte man auf ihr Papier, auf dem jetzt die Namen von vier Generälen und einem Marschall der Sowjetunion prangten, und mit dieser Ausrüstung setzten sie die Fahrt nach Puschkin fort.
    Noch einmal besuchten sie Königsberg, die fast menschenleere, zerstörte Stadt, den zerbombten Hafen mit den Schiffswracks, das ausgebrannte Schloß mit den zerborstenen Mauern. Noch einmal stieg Wachter hinunter in den Keller des ›Blutgerichts‹, wo das Bernsteinzimmer und er alle Zerstörungen überlebt hatten. An der Außenwand der Tür hing sogar noch das Hitlerbild, aber man hatte das Gesicht des Führers zerschnitten, und unten am Geschlecht war das Bild aufgeschlitzt. Im Kellerraum standen noch Tisch, Stühle und das Feldbett, nur die Matratzen und das Bettzeug fehlten, im Schrank das Geschirr und die Bestecke und auch den Ofen hatte man mitgenommen. Es war damals kalt gewesen in Königsberg, von Januar bis April 1945. Unglaublich, daß alles nur sechs Monate her war seit jenem Januartag, an dem der Transport mit Hauptmann Leyser auf die Flucht geschickt wurde.
    Jana Petrowna fuhr zum Krankenhaus. Nur leicht beschädigt war es, an der Pforte saß ein alter Mann im Kontrollraum, unbekannte deutsche und sowjetische Schwestern eilten durch die Gänge, neue Ärzte begegneten ihr auf den Fluren und sahen sie fragend an, und dann stand sie in Friedas Zimmer. Nichts hatte sich verändert: Der breite Schreibtisch war da, der Maschinentisch mit der Schreibmaschine, die abgestoßenen Aktenschränke und der abgewetzte Linoleumboden. Nur Frieda war nicht mehr da, eine andere Oberschwester saß auf ihrem Platz, im gleichen, überbreiten Stuhl, extra für Frieda angefertigt, und hinter der Schreibmaschine hockte ein schmales, blasses, junges Mädchen mit einem Mausgesicht.
    »Ja, bitte?« fragte die Oberschwester, als Jana eingetreten war und sich stumm umschaute. »Sie wünschen?«
    »Nichts.«
    »Das ist etwas Neues.«
    Das Mäuschen an der Schreibmaschine hob den Kopf und grinste verlegen.
    »Wo ist Oberschwester Frieda Wilhelmi?«
    »Das weiß ich nicht. Ich kenne sie nur aus den Unterschriften in den Akten. Als ich hier anfing, war sie weg. Wohin? Keine Ahnung.«
    »Wann haben Sie hier angefangen?«
    »Am 15. April … sechs Tage nach der Kapitulation von Königsberg.«
    »Und Dr. Pankratz?«
    »Ist am 2. April bei einem

Weitere Kostenlose Bücher