Das Bernsteinzimmer
zurückgegangen und wies auf Dr. Findling und seinen Vertrauten Wellenschlag.
»Das ist Dr. Findling. Direktor der Königsberger Museen.«
»Wir kennen uns«, sagte Dr. Runnefeldt. Er gab Findling mit einem kräftigen Druck die Hand. »Ihr Buch über Bernstein ist Pflichtlektüre aller Kunstwissenschaftler.«
»Ich bitte Sie«, antwortete Findling verschämt.
»Gauamtsleiter Wellenschlag.«
Die Herren nickten sich zu, ohne sich die Hand zu geben. Wellenschlag hatte das auch nicht erwartet … ein Hofnarr wird zwar erwähnt und gebraucht, aber er ist ein Gegenstand, kein Gleichgestellter.
»Lassen Sie die Fahrer wegtreten«, sagte Koch voller Freundlichkeit. »Der Wachhabende wird sich um sie kümmern. Sie, meine Herren, bitte ich, meine Gäste zu sein.«
Sie gingen ins Schloß, im Hof übernahm die Wache die Kolonne, ein Feldwebel warf einen Blick über die 36 Fahrer, die als geballter Haufen vor ihm standen.
»Ihr stinkt wie ne ganze Herde Ziegenböcke!« sagte er. »Ihr bekommt jetzt euer Quartier zugewiesen, und dann badet ihr erst mal!«
»Und wann gibt's was zu Fressen?« rief einer aus der Menge.
»Morgen früh um sieben. Das kennt ihr doch: Kaffeeholer raus!«
»O du Scheiße!«
»Ihr seid jetzt wieder unter zivilisierten Menschen. Gewöhnt euch daran.«
»Wat heeßt hier Zivil? Ick bin in Uniform! Übahaupt … wer biste denn?«
Paschke und der Feldwebel musterten sich. Gewitter lag in der Luft, das spürte jeder. Gib's ihm, Julius! Diese fette Etappensau …
»Ich spiele hier den UvD!« (Unteroffizier vom Dienst) Die Stimme des Feldwebels hatte sich erhoben. »Und wenn ich sage …«
»Und wenn ick saje –« unterbrach ihn Paschke – »det wir jetzt alle 'n Kaffee oder ne Pulle Bier kriegen, dann kriegen wir se! Oder ick jeh zum Gauleiter und saje: Parteijenosse, da draußen is'n Bettpisser, der mir scheuchen will … Wat jloobste, wat dann passiert, Kamerad?«
Der Feldwebel schien ein kluger Mensch zu sein. Er verzichtete auf eine Auseinandersetzung mit Paschke, sagte nur: »Erst badet ihr!« und ging dann dem Trupp voraus, um ihnen das Quartier zuzuweisen.
In Kochs Wohnung prosteten sich die Herren mit französischem Kognak zu. Der Gauleiter war bester Stimmung, und Wellenschlag konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so gelöst und fröhlich gesehen zu haben, selbst dann nicht, wenn er ihm eine besonders schöne Frau ins Schloß gebracht hatte.
»Gleich morgen packen wir aus«, sagte Dr. Findling. »Ich kann's kaum erwarten.«
»Wie bei einer Frau, die man auszieht, was!« Koch lachte schallend. »Halten Sie durch, Dr. Findling.«
Da ist er wieder, der Erich Koch, dachte Dr. Findling. Nur Weiber im Kopf … Dr. Runnefeldt enthob ihn einer Antwort.
»Weiß man schon, wie es mit dem Bernsteinzimmer weitergeht?«
»Weitergeht?« Koch trank sein Glas leer. Sein Gesicht glühte. »Es bleibt hier! Ich werde den Führer bitten, es in die Hände der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten zu geben. Da ist es sicher. Und Dr. Findling werde ich für die Verwaltung der Königsberger Kunstschätze vorschlagen. An alles haben wir gedacht.«
Es wurde eine fröhliche Männerrunde, die sich erst gegen fünf Uhr in der Frühe auflöste. Ein wenig angeschlagen, aber nicht so betrunken wie sonst bei Kochs Einladungen, kam Dr. Findling in seine Wohnung zurück. Martha erwachte und setzte sich im Bett auf. Findling ließ sich auf die Bettkante fallen und kippte dann, angezogen wie er war, ins Bett.
»Ein Lob deinem Großvater«, sagte er mit schwerer Zunge und schloß die Augen. »Salatöl ist ein Wundermittel. Die anderen sind total besoffen. Aber ich … ich stehe aufrecht …«
»Ich seh's!« sagte Martha sarkastisch.
Aber das hörte Dr. Findling nicht mehr, er war schon eingeschlafen.
Ein glücklicher Mensch. Ein schwärmerischer Raubgehilfe …
Sofort nach dem dreimaligen Klopfen gegen die Kabinenrückwand war Jana Petrowna nach hinten gelaufen und hatte die bereits gelöste Plane hochgeschoben. Als habe sie das gründlich geübt, ließ sie sich über die Ladeklappe abrollen und sprang auf die Straße. Die Wachstuchtasche preßte sie dabei an ihre Brust, und einen Augenblick war es ihr, als sähen ihr hundert Augen zu, wie sie aus dem Wagen sprang. Aber niemand schien sie beobachtet zu haben, und so lief sie mit weitausgreifenden Schritten, als müsse sie einen in wenigen Minuten abfahrenden Zug noch erreichen, in den Bahnhof und lehnte sich dort schwer atmend an einen Pfeiler. Sie
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