Das Bernsteinzimmer
machten Stichproben, hielten Landser an und kontrollierten die Ausweise, Urlaubsscheine oder Marschbefehle.
Langsam ging Paschke in den Bahnhof, suchte die Toiletten, stellte sich neben andere an die Pinkelrinne, drückte ein paar Tropfen ab und kam sich wie verlassen, wie in dunkler Einsamkeit vor. Als er zurückkam zu seinem Wagen, stand der Kübelwagen schon bei ihm. Die ganze Kolonne wartete. Nach vorn war durchgegeben worden: Letzter Wagen muß halten. Darauf stand der gesamte Transport still.
»Was ist denn los, Unteroffizier?« bellte Wollters aus dem Fenster des Kübels. Paschke nahm stramme Haltung an.
»Ick mußte mal, Herr Rittmeister«, meldete er, grüßte stramm, stieg in die Fahrerkabine und sah Doll von der Seite an. »Weiterfahren …«
Doll ließ den Motor wieder anspringen. »Is se jut weg?« fragte er wie nebenbei.
»Wer?«
Paschke spürte ein Rumoren in seinem Bauch. Lauernd sah er Doll an.
»Dat Karbolmäuschen.« Doll grinste breit. »Wor die flink …«
»Wat haste jesehen, Doll?«
»Jul, isch han doch ne Rückspiegel.«
»Du hast allet jewußt?«
»Klar. Isch han doch kein Tomaten op de Aujen. Isch wor nur jespannt, wie dat sich alles auflöst … Äwwer su wor et jut …«
»Du hast nix jesehen, Doll, janix! Vastehste mir?«
»Isch seh als Fahrer nur die Stroß, sonst nichts.« Doll grinste Paschke von neuem an und ließ den Lkw anrollen. An ihnen vorbei brauste der Kübelwagen wieder an die Spitze der Kolonne. »Äwwer morjen, da krieje isch en Fläsch Schaubau von dir …«
»Wat kriegst de?«
»Eine Flasche Schnaps, Kamerad.«
Paschke nickte und lehnte sich wieder zurück. Er dachte an Jana, und es war ihm dabei elend zumute. Und bis jetzt verstand er noch immer nicht, warum sie diese tagelange Mistfahrt mitgemacht hatte und nicht mit dem Zug nach Königsberg gefahren war.
Kurz vor ein Uhr passierte endlich der Kübelwagen die Wache am Königsberger Schloß. Der wachhabende Offizier, ein junger, in Polen verwundeter Leutnant, kontrollierte eingehend die Papiere, die ihm Wollters aus dem Fenster reichte. Seine Gründlichkeit regte Wollters auf.
»Glauben Sie, wir bringen mit 18 Lastwagen Dynamit ins Schloß, um es in die Luft zu sprengen?« schnauzte er den Leutnant an. »Oder haben Sie Leseschwierigkeiten?«
»Inhalt der Lkws?« fragte der Offizier knapp.
»27 Kisten mit Parisern!« schrie Wollters außer sich. »Himmel und Arsch, Herr Gauleiter Koch erwartet uns! Hat man Ihnen keine Order gegeben?«
»Es hieß: Einige Wagen kommen in der Nacht. Aber 18?«
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Leutnant.« Wollters holte tief Atem. »Sie lassen uns durch, und ich mache über Sie keine Meldung zur Frontbewährung.«
»Ich bin bereits HV geschrieben. Heimatverwendungsfähig. In Polen schwer verwundet. Lungensteckschuß. Waren Sie auch schon verwundet, Herr Rittmeister?«
Die Frage war von einem leichten Grinsen begleitet. Wollters riß dem jungen Leutnant die Papiere aus der Hand, lehnte sich zurück und verzichtete auf eine Antwort.
»Können wir jetzt ins Schloß, Herr Leutnant?« fragte Dr. Runnefeldt sanft.
»Natürlich.« Er grüßte, trat zur Seite, die herausgetretene Wache gab die Einfahrt frei. »Ich tue nur meine Pflicht …«
Als der Kübelwagen ratternd in den Schloßhof einfuhr, sagte Wellenschlag, der gerade am Fenster stand, gemütlich, als hätte er nicht seit Stunden gewartet: »Sie sind da.«
Gauleiter Koch und Dr. Findling schossen aus ihren Sesseln heraus, als habe man sie gestochen. Mit einem Griff hatte Koch seine Mütze ergriffen und stülpte sie über seinen Kopf. Der nächste Griff galt seinem Koppel.
Während er es sich umschnallte und dann den Uniformrock straff zog, an dessen linker Brustseite eine Reihe Ordensspangen im Licht des Kristallüsters glitzerten, sagte er mit vor Erregung bebender Stimme:
»Trinken wir jetzt zur Begrüßung unser Glas Champagner! Nachher kommen wir nicht mehr dazu. Soviel Zeit haben wir noch.«
Er entkorkte die Flasche, ließ den Korken mit einem leisen Knall an die Decke sausen, goß aus der vom Eiswasser triefenden Flasche die Gläser voll und stellte sie zurück in den Sektkühler.
»Auf unser Bernsteinzimmer!« rief er und hob sein Glas hoch in die Luft. »Auf daß es immer in der Heimat bleibe!«
Auch Wellenschlag und Dr. Findling hoben die Gläser und prosteten zu Gauleiter Koch hin.
»Ich danke Ihnen, Gauleiter«, sagte Dr. Findling mit ehrlicher Ergriffenheit. »Die Nachwelt wird es Ihnen
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