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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer Kelle die Suppe in die hingehaltenen Kochgeschirre schöpfte. Eine Reihe von Verwundeten hatte sich gebildet, die Witze reißend an dem Kochtopf vorbeizog.
    Die Küchenschwester warf einen Blick auf die unschlüssig und hilflos sich umsehende Jana und zeigte mit der Suppenkelle auf eine Pendeltür.
    »Dort rein …«
    »Danke.«
    Sie stieß die Tür auf, kam in einen großen Raum, in dem an langen Tischen einige Verwundete saßen, Kaffee oder Tee tranken und an mit Dauerwurst belegten Broten kauten. Vier Etagenbetten an der Hinterwand waren belegt. Von dort erklang ein gedämpftes Schnarchen. Eine braune Schwester kam auf Jana zu und musterte sie erstaunt. »Wo kommst du denn her?« fragte sie.
    »Von der Front bei Leningrad«, antwortete Jana wahrheitsgemäß.
    »Oje! Und nun hast du Heimaturlaub?«
    »Nein. Ich muß mich im Städtischen Krankenhaus melden. Kann ich vier Stunden bei euch bleiben? Die erste Straßenbahn fährt erst um fünf Uhr.«
    »Natürlich kannst du hier bleiben. Nimmt dich denn keiner mit? Es fahren doch genug Autos vom Bahnhof in die Stadt.«
    »Ich habe noch niemanden gefragt. Und – ich fahre lieber mit der Bahn.«
    »Wegen der ewigen Fummelei, was?« Die Schwester lachte. »Die einen gewöhnen sich daran, die anderen nicht. Ich hab mich daran gewöhnt. Was willst du machen, wenn so'n schicker junger Leutnant dir über'n Schenkel streichelt?«
    »Die Alten sind noch schlimmer.«
    »Du sagst's! Auch schon Erfahrungen gesammelt, was?« Die braune Schwester gab Jana die Hand und zeigte auf eine andere Tür an der Seitenwand. »Geh da rein … das ist unser Büro. Da ist's gemütlich, und keiner macht schweinische Witze. Von der Leningrader Front! Wie sieht's da vorne aus?«
    »Eine Menge Verwundete.«
    »Klar. Wir sehen es ja, wenn die LaZ-Züge hier vorbeikommen. In den Zeitungen und im Rundfunk bringen sie ja nichts darüber. Ist auch gut so. Worauf es ankommt, ist der Endsieg.«
    »Genau so ist es«, sagte Jana. Ihre Kehle schnürte sich zusammen.
    »Der Führer wird's schon machen.«
    »Ein … ein Glück, daß wir ihn haben …« Es war einer der schwersten Sätze, die Jana je gesprochen hatte. Sie nahm wieder ihre Wachstuchtasche von den Dielen auf und ging hinüber in das Büro. An der Wand standen zwei Liegen, auf denen zwei erschöpfte Schwestern schliefen. Sie wurden von Janas Eintritt nicht wach. Zehn Stunden Dienst, da schläft man wie betäubt.
    Sie setzte sich auf einen Stuhl neben einen der mit Papieren überfüllten Schreibtische, stützte den Kopf in beide Hände und dachte darüber nach, wie es nun weitergehen solle. Zwei Möglichkeiten gab es: Irgendwo untertauchen und in der Illegalität leben, voll Vertrauen auf den Schutz ihrer Schwesterntracht, oder sich im Krankenhaus melden und offiziell als Schwester tätig sein. Nur zweihundert Mark habe ich bei mir, sagte sie sich. Das hält nicht lange. Wovon soll ich ein Zimmer bezahlen, wovon soll ich leben? Ich kann nicht immer nur als reisende Schwester von Schwesternheim zu Schwesternheim ziehen … dieses Versteckspiel ist schnell erschöpft. Und dann?
    Ihr Blick fiel über die Papierstapel. Am linken Schreibtischrand lag ein Block mit Vordrucken, und Jana las zunächst die fettgedruckte Überschrift.
    Einsatzbescheinigung.
    Es durchzuckte sie wie ein elektrischer Schlag. Sie warf einen schnellen Blick hinüber zu den zwei schlafenden Schwestern, zog den Block an sich und sah, daß das Formular blanko ausgestellt war. Unterschrift, Stempel … nur den Namen und das Datum mußte man noch einsetzen.
    Hastig las sie den Text durch. Es war genau das, was sie brauchte. Name, Geburtsdatum, Heimatanschrift, Ausweisnummer und Bezeichnung der Dienststelle. Das Vorzeigen dieser Bescheinigung machte alle Fragen überflüssig. Sie war ein Paß der Sicherheit.
    Hastig riß Jana Petrowna ein Blatt von dem Formularblock, warf wieder einen Blick auf die schlafenden Schwestern, raschelte bewußt mit einigen Papieren, aber sie erwachten davon nicht. Sie nahm einen Füllfederhalter, der in einer Buchse stak, und füllte das Formular mit Druckbuchstaben aus … die vor ihr stehende Schreibmaschine wagte sie nicht zu benutzen, das Klappern hätte die Schlafenden wecken können. Dann faltete sie die ausgefüllte Bescheinigung zusammen und steckte sie in die Wachstuchtasche. Aufatmend lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und schloß für einen Moment die Augen.
    So, den Kopf zurückgelehnt und mit geschlossenen Augen, fand die Leiterin der

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