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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Straße und ging auf die Zufahrt zu, an der die Krankenwagen hielten. Jetzt war die Doppeltür der Einlieferung nur von zwei armseligen, trüben Lampen beleuchtet. Tiefe Stille lag über dem ganzen Gebäudekomplex.
    Die Tür war abgeschlossen, in der linken Seitenwand war ein großer Klingelknopf in die Mauer eingelassen. Sie drückte ihn hinunter, hörte nichts und drückte noch dreimal. In der großen Aufnahmehalle flammte Licht auf, ein verschlafener Sanitäter kam breit gähnend zur Tür.
    »Was ist denn los?« rief er. »Ich bin ja schon da! Habt ihr den Koch im Sanka?« Dann erst erkannte er, daß da draußen ganz allein eine Rote-Kreuz-Schwester stand, ein hübsches Püppchen, so ein richtiges knackiges Ding für die Ärzte.
    Sanka, dachte Jana Petrowna sofort. Was ist denn das nun wieder?
    »Ich bin kein Sanka!« sagte sie forsch.
    »Nee, wirklich nicht.« Der Sanitäter grinste, trat zur Seite und ließ Jana eintreten. »Wär schade, wennste wie'n Krankenwagen aussiehst.«
    Sanka ist also ein Krankenwagen. Ein neues Wort, das wichtig war. Die Abkürzung von Sanitätskraftwagen. Jana wartete, bis der Sanitäter wieder abgeschlossen hatte und sah sich um. Kahle Wände, ein blanker Linoleumfußboden, ein Geruch von Desinfektionsmitteln, eine Reihe Türen, Rolltragen an einer Seite der Wände, zwei Untersuchungszimmer für Notfälle und Unfälle, zwei fahrbare Krankenstühle.
    Der Sanitäter kam von der Eingangstür zurück und grinste Jana an.
    »Na, über den Zapfen gewichst, und jetzt heimlich hinein durch die Hintertür. War's schön?« Er lachte, als er Janas verständnisloses Gesicht sah und legte den Arm um sie. Sie wußte nicht, ob sie es dulden oder ihn abschütteln sollte. »Machst Augen wie ein Engelchen, sooo unschuldig. Nun wetz schon in dein Bett, ehe dich die Nachtwache erwischt.«
    »Ich muß mich bei der Oberschwester melden«, sagte Jana Petrowna, so wie sie es geübt hatte.
    »Jetzt? Um halb sechs?« Er sah Jana genauer an und bemerkte ihre große Wachstuchtasche. »Ach Gott, du bist neu hier? Sollst dich melden?«
    »Ja. Eben mit dem Zug angekommen.«
    »Woher kommste denn?«
    »Von der Front. Von Leningrad.«
    »Das dreht ja 'n Hund in der Pfanne rum! Leningrad? Von ganz vorn?«
    »Ja. Vom Hauptverbandsplatz.«
    »Und was sollste dann hier bei uns?«
    »Ich war krank. Typhus. Ich soll mich hier etwas erholen … und natürlich arbeiten. Sie haben mir einen Marschbefehl gegeben und mich losgeschickt.«
    »Ja. So ist das!« Der Sanitäter faßte Jana unter und schob sie an seiner Seite zu einem Zimmer. »Mich hat's in Polen erwischt. Schuß in die Hacke, und als ich hochgezuckt bin, noch'n Schuß in die linke Schulter. Schlüsselbein zertrümmert. Seitdem schlurfe ich hier herum. So, das ist mein Wachraum. Setz dich auf das Sofa, Mädchen. Wie ist es mit 'nem Bier? Erzähl mal, was da draußen los ist. Bis acht Uhr haben wir Zeit, vorher ist keiner in der Verwaltung, und Oberschwester Frieda kriegste erst um halb neun. Die Frieda Wilhelmi ist nämlich so was wie 'ne Kommandeuse. Da stehn sogar die Ärzte stramm. Was die sagt, stimmt und wird gemacht. Der kann keiner! Der erste Rat von mir: Stell dich mit der Wilhelmi gut. Aber das wird schwer sein … du bist zu hübsch, Mädchen. Da sieht sie wieder was kommen. Alle Ärzte sind wie Hunde, die eine läufige Hündin riechen, sagt sie.«
    »So schlimm ist es hier?«
    »Was? Hat dich noch kein Arzt angepackt?«
    »An der Front hatten wir andere Probleme. Da standen wir zwischen Haufen zerfetzter Leiber … Wie heißen Sie?«
    »Karl Bludecker … Dämlicher Name, was? Aber man kann sich ja seine Eltern nicht aussuchen. Und du?«
    »Ich heiße Jana Rogowskij.«
    »Echter ostpreußischer Adel, was?« Bludecker grinste, holte eine Flasche Bier, aber Jana winkte ab.
    »Danke, Karl. Ich kann doch nicht mit einer Bierfahne bei Frieda Wilhelmi vorsprechen.«
    »Die Frieda säuft auch. Heimlich. Das weiß ich. Also dann nicht.« Er hob die Flasche hoch und prostete ihr zu. »Es lebe die Schiffahrt!«
    Er nahm einen langen Schluck, setzte dann die Flasche ab und stieß diskret auf. Jana saß auf dem Sofa und hatte die Hände in den Schoß gelegt.
    »Warum Schiffahrt?« fragte sie.
    »Das kennste nicht?« Bludecker klopfte gegen die Bierflasche. »Nach einem halben Liter Pissolin kannste ein Liter schiffen …«
    »Oder strullen …« sagte sie.
    »Auch. Das ist nur vornehmer ausgedrückt. Mädchen, du bist in Ordnung!«
    Um acht Uhr führte Bludecker sie

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