Das Bernsteinzimmer
Mutschmann von Sachsen, weder Grohé von Köln-Aachen, noch Wagner von Westfalen-Süd. Sie waren bekannt, aber die zweifelhafte Popularität von Koch erreichten sie nie.
»Wer kennt Sie nicht, Herr Gauleiter?« antwortete Jana Petrowna. Sie kam nicht näher, blieb auf ihrer Treppenstufe stehen und blickte auf Koch hinunter. Aber auch der stieg die beiden Stufen nicht hinauf … die jetzige Perspektive war ihm äußerst angenehm.
»Auch wenn es, wie Sie sagen, ein Fehlalarm war, er hat etwas Gutes: Ich bin Ihnen begegnet. Sonst wäre das vielleicht nie geschehen … und das wäre ein Verlust gewesen. Wie heißen Sie, Schwesterchen?«
»Jana Rogowskij, Herr Gauleiter.«
»Das klingt ganz ostpreußisch.«
»Ich wurde in Lyck geboren.«
»Das ist doch in Masuren?«
»Ja, Herr Gauleiter.«
»Jana – ein masurisches Mädchen zu sein war immer eine Verpflichtung und ein Versprechen …«
»Wie soll ich das verstehen, Herr Gauleiter?«
»Ein masurisches Mädchen ist heißblütig, unersättlich in der Liebe, Himmel und Hölle in einer Person. Bist du heißblütig, Jana?«
Wie selbstverständlich duzte er sie sofort nach den ersten konventionellen Sätzen, und wieder tastete er ihren Körper langsam mit seinen unverschämten Blicken ab. Dabei lächelte er … ermunternd sollte das sein, aber Jana war nur um so mehr auf der Hut. Was sollte sie antworten? Wie würden andere Frauen darauf reagieren? Nur lächeln – das war eine Aufforderung. Den Kopf schütteln – das würde ihn nur zu neuen Fragen solcher Art provozieren. Bei jedem anderen Mann wäre es einfach gewesen, ihn ohne Antwort stehen zu lassen und wegzugehen … konnte man das aber mit einem Gauleiter tun? Mit einem Tyrannen wie Erich Koch? Sie entschloß sich, auszuweichen.
»Ich weiß es nicht, Herr Gauleiter«, sagte sie und spielte perfekt die Verschämte. Koch gefiel diese Geziertheit ungemein. Sein tastender Blick wurde fordernd, Jana spürte ihn auf ihrem Körper, als seien es Hände, die über ihre Haut strichen.
»Es hat dir noch keiner gesagt?«
»Nein –«
»Wir sollten diese ›Volksmeinung‹ einmal überprüfen. Heißblütigkeit ist nur feststellbar, wenn man sie herausfordert. Enttäusche nicht Masuren, Jana. Wann hast du deinen freien Tag?«
»Den bestimmt Oberschwester Wilhelmi.«
»Irrtum! Den bestimme jetzt ich!« Koch stieg nun doch die beiden Stufen hinauf, und als er neben Jana stand, war er ein paar Zentimeter kleiner als sie. Das war er gewöhnt – die meisten Frauen, die sein Bett kannten, waren größer als er gewesen. Aber welche Bedeutung hatte das? In den Kissen war er der Größte.
Er versuchte, Janas Taille zu umschlingen, aber sie wich auf der Treppe zurück, eine stumme Abwehr, die Koch sonst kaum erlebt hatte. Die meisten Frauen, die er ›erobert‹ hatte, sahen das als eine Ehre an, so wie die Männer ihre Brust wölbten, wenn man ihnen einen Orden verlieh.
»Was ist denn?« fragte Koch etwas verwirrt und mit einem bösen Unterton in der Stimme. Janas Augen flimmerten, er konnte sich erklären, warum.
»Mich hat noch kein Mann angefaßt, Herr Gauleiter«, sagte sie fast kläglich.
»Das darf doch nicht wahr sein! Hast du bisher nur unter Blinden gelebt?«
»Alle haben auf mich aufgepaßt. Zu Hause der Vater und der älteste Bruder, im Schwesternheim die Leiterin, im Krankenhaus die Oberschwestern.«
»So etwas gibt es wirklich noch?« Koch kam näher, streckte die Arme aus, spreizte die Finger und preßte sie plötzlich an Janas Brüste. Sie erstarrte, ballte die Fäuste und hatte großes Verlangen, Koch einen kräftigen Schlag auf die breite Nase zu geben. Das aber – sie erkannte es klar – würde ihr Ende bedeuten. Verbannung aus Königsberg, Schwester in einem Arbeitslager der Ostarbeiter, vor allem aber würde man entdecken, wer sie wirklich war. Und das bedeutete Einweisung in ein KZ, oder sie würde sofort zum Tode verurteilt werden. Koch hatte die Macht dazu. Kein ›unabhängiger‹ Richter würde es wagen, einen Wink des Gauleiters Koch zu übersehen. Auch Richter sind zu ersetzen …
»Du bekommst am Mittwoch deinen freien Tag!« sagte Koch und drückte Janas Brüste. Die Gier in seinen Augen nach dieser Berührung war unerträglich. »Und dann feiern wir ein masurisches Liebesfest.«
»Ich … ich weiß es nicht.«
»Aber ich weiß es, und das genügt. Mittwoch abend, Jana. Ich lasse dich abholen. Wir werden in ein wunderschönes kleines Jagdschloß fahren … es wird dir
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