Das Beste aus 40 Jahren
wird, brauche ich dir vermutlich nicht zu sagen.“
Seine Worte wirkten auf sie wie ein kalter Guss. „Ich bin nur hier, weil du mich … gebeten hast mitzukommen“, erwiderte sie steif.
Seufzend fuhr er sich durch das dichte schwarze Haar. „Ich hatte keine Wahl! Chiara will dich sehen. Nur das zählt für mich.“ Warnend sah er sie an. „Meine Mutter und meine Großmutter denken anders darüber. Ich möchte dich bitten, deine Zunge trotzdem ausnahmsweise im Zaum zu halten.“
Anders gesagt, ich soll nach seiner Pfeife tanzen, dachte sie rebellisch. Dann sah sie ein, wie schwer das alles auch für ihn sein musste – und nicht nur die Sorge um seine Schwester. Er hatte ein Jahr lang so getan, als wäre er nicht verheiratet, als würde sie, Anastasia, nicht mehr existieren. Plötzlich sah er sich gezwungen, sie wieder in sein Leben zu lassen. Diese Tatsache hasste er ganz offensichtlich.
„Dass deine Angehörigen mich nicht schätzen, ist ihr Problem, nicht meines“, erwiderte sie ruhig. „Ich habe dir den Gefallen getan, dich zu begleiten. Du kannst nicht auch noch von mir verlangen, mich selbst zu verleugnen.“
„Verdammt noch mal, das tue ich doch gar nicht! Ich bitte dich nur um etwas Verständnis. Bei uns allen liegen die Nerven blank.“
Wie wahr, dachte Anastasia insgeheim seufzend und löste den Sicherheitsgurt, um Rico zu folgen.
3. KAPITEL
Auf dem Weg vom Flughafen zum Krankenhaus sprachen Rico und Anastasia nicht miteinander. Er telefonierte wieder auf Italienisch und unterstrich das Gesagte gelegentlich mit einer Geste der freien Hand. Vorn saßen der Chauffeur und einer der Bodyguards still und aufmerksam.
Ohne sich umzudrehen, wusste sie, dass ihnen ein zweiter Wagen mit Leibwächtern folgte. Während ihrer kurzen Verlobungszeit und in den sechs Monaten Ehe hatte sie sich daran gewöhnt, immer Begleitung zu haben. Manchmal hatte sie sich einen Spaß daraus gemacht, sich auffallend zu benehmen, weil sie wusste, dass sie beobachtet wurden.
Sie war überrascht, als sie an dem modernen Krankenhaus vorbeifuhren und in ein Labyrinth kleiner Seitenstraßen einbogen. Schließlich hielt der Wagen in einer Gasse. An deren Ende führte eine Feuertreppe nach oben zu einer Tür.
„Warum nehmen wir diesen Weg?“, erkundigte Anastasia sich erstaunt, als sie ausstiegen.
„Weil alle übrigen Eingänge ins Krankenhaus von Paparazzi belagert sind.“ Rico eilte ihr voraus. „Dieser Weg führt direkt in einen Flur neben der Intensivstation, und zum Glück scheint die Presse ihn noch nicht entdeckt zu haben.“
Sobald sie unbehelligt ins Gebäude gelangt waren, ging er rasch zur Intensivstation weiter. Man sah ihm an, wie besorgt er war.
„Warte hier“, forderte er Anastasia auf.
Sie stand einfach da, und ihr Herz pochte wie rasend beim Gedanken, gleich seiner Familie zu begegnen. Dann kam Rico zurück und teilte ihr mit, er würde sie sofort zu Chiara bringen. Es erleichterte Anastasia, dass die unvermeidliche Begegnung mit seinen Angehörigen aufgeschoben war.
Chiara lag reglos im Bett, ihr Gesicht war beinah so weiß wie die Laken, abgesehen von dem Bluterguss auf der rechten Schläfe und Wange. Modernste Apparaturen summten und piepten, während sie die lebenswichtigen Funktionen steuerten und überwachten.
Angesichts dieser Szenerie wurde Anastasia ganz elend zumute. Ricos knappe Beschreibung von Chiaras Zustand hatte sie nicht darauf vorbereitet, ein so alarmierendes Bild vorzufinden.
Plötzlich wurde ihr bewusst, wie stark Rico war. Er durchlebte zurzeit einen Albtraum und war dennoch fähig, beinah normal zu funktionieren, seinen Konzern zu leiten, seinen Angehörigen eine Stütze zu sein. Und sie, Anastasia, aus England zu holen, obwohl es das Letzte sein musste, was er wollte …
Wieder traten ihr Tränen in die Augen. Rico sah müde aus. Angespannt. Doch er schaffte es nicht, über seine Empfindungen zu sprechen. Das war einer der wesentlichen Unterschiede zwischen ihnen.
Wie oft hatte sie sich während ihrer kurzen Ehe gewünscht, er würde offen mit ihr reden? Wie oft darauf gehofft, er würde ihr sagen, dass er sie liebe?
Er hatte die drei Worte nie gesagt.
Weil er, wie sie nun wusste, sie nie geliebt hatte. Er hatte sie nur eine Zeit lang begehrt, und jetzt verachtete er sie.
Unvermittelt wurden ihr die Knie weich, und sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Anscheinend hatte sie sogar leise geschluchzt, denn plötzlich stand Rico dicht neben ihr und legte
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