Das Beste aus 40 Jahren
war es ihm vielleicht egal?
Anastasia straffte sich. „Und was ist mit dir? Du brauchst doch auch Schlaf.“
Warum hatte sie das jetzt gesagt? Sie wusste doch, dass er kein Mitgefühl wünschte, weil er sich gern als unverwundbar ansah.
Sein Blick verbat sich jede Einmischung. „Ich muss noch einige Anrufe machen, und das tue ich lieber hier vom Hospital aus.“
Ach so, er will gar nicht selbst in der Villa übernachten, dachte Anastasia bedrückt. Er wollte keine Zeit mit ihr verbringen, seine Sorgen nicht mit ihr teilen. Das zu wissen schmerzte, und nun gab sie alle Hoffnung auf, Rico jemals wieder nahezukommen.
Warum, zum Kuckuck, habe ich Anastasia in die Villa geschickt? fragte Rico sich einige Stunden später im Besucherzimmer des Krankenhauses.
Er saß auf einem der unbequemen Stühle, die er in den vergangenen zwei Wochen zu hassen begonnen hatte, umringt von seinen wohlmeinenden, aber anstrengenden Verwandten. Seine Mutter und seine Großmutter hatten darauf bestanden, in der Klinik zu bleiben, Chiaras Zustand war unverändert, und vor dem Krankenhaus lauerten nach wie vor die Reporter, begierig auf eine Story.
Warum, fragte Rico sich nochmals, habe ich Anastasia an den einzigen Ort geschickt, an dem ich zurzeit ein bisschen Ruhe finden könnte? War er verrückt geworden?
Er hasste und verachtete sie doch aus tiefstem Herzen! Trotzdem ging sie ihm nicht aus dem Sinn, dabei hätte er besser an Chiara denken sollen.
Kurz ballte er die Hände zu Fäusten, dann gab er dem einen Leibwächter an der Tür den Auftrag, den Wagen bereitstellen zu lassen für die Fahrt zur Villa.
Im Auto beantwortete Rico sich schließlich seine Frage. Er hatte Anastasia in sein Haus geschickt, weil er befürchtete, sie könnte aus einem Hotel einfach abreisen. Sie hatte ganz offensichtlich etwas dagegen, hier zu sein, und sie hatte bereits bewiesen, dass sie ohne Bedenken das Weite suchte, sobald Schwierigkeiten auftraten. Und davon hatte es genug gegeben, dank ihrer Vorliebe für sehr junge Männer …
Rico verzog das Gesicht, als Eifersucht ihn durchzuckte, so schmerzhaft wie ein Dolchstich – und so heftig, als wäre es nicht schon ein Jahr her, dass Anastasia ihn verlassen hatte. Ja, wahrscheinlich war es das Beste für sie gewesen, zu flüchten. Er hätte ihr sonst womöglich den Hals umgedreht. Und sie hatte ihm so den Beweis für ihre Schuld geliefert.
Als er die Villa betrat, wappnete er sich unwillkürlich gegen eine Auseinandersetzung mit Anastasia, die aber nirgends zu sehen war. Vermutlich lag sie bereits im Bett und schlief. Sie war sehr blass und erschöpft gewesen, als er sie schließlich aus der Klinik geschickt hatte. Nahm es sie dermaßen mit, Chiara im Koma zu sehen? Oder hielt sie es kaum aus, in seiner Nähe zu sein? Hatte sie ein schlechtes Gewissen?
Rico sagte dem Personal, er wolle nicht mehr gestört werden, und goss sich einen Drink ein. Das Glas in der Hand, ging er auf die Terrasse und blickte hinaus aufs dunkle Meer.
Ich bin auch nur ein schwacher Mann, gestand er sich selbstkritisch ein. Obwohl er wusste, zu welchen Hinterhältigkeiten seine Frau fähig war, begehrte er sie noch immer leidenschaftlich. Was bewies, dass es in der Beziehung nie um seelische Gefühle, sondern immer nur um körperliche gegangen war.
Dass er jetzt daran dachte, konnte natürlich auch eine Reaktion auf den gegenwärtigen Druck sein. Für einen Mann bedeutete Sex manchmal ein Ventil, ein Mittel zur Entspannung – und in seinem Leben gab es momentan Spannungen genug.
Er musste sich ständig zusammenreißen, um seine Angehörigen nicht zu beunruhigen, und das machte ihm allmählich zu schaffen. Nachdenklich blickte er auf den Pool direkt vor der Terrasse und überlegte, ob eine andere Art körperlicher Betätigung ihm nicht auch Erleichterung bringen würde.
Ja, aber erst später, beschloss er und ging zurück ins Haus. Im Wohnzimmer setzte er sich auf ein Sofa mit Blick nach draußen. Die Ärzte würden sofort anrufen, sobald sich, nein, falls sich Chiaras Zustand änderte, und inzwischen musste er einige Telefonate erledigen. Sein Mitarbeiterstab tat alles, um ihm den Rücken freizuhalten, aber ein riesiges Imperium wie der Crisanti-Konzern lief nun mal nicht von allein.
Rico füllte das Glas nach und rief seinen Finanzdirektor in New York an.
Eine Stunde später beendete er das Gespräch und aß ein bisschen von dem Aufschnitt, den das Dienstmädchen schon vor Längerem vor ihn auf den Couchtisch
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