Das Beste aus 40 Jahren
Rico.“
„Du hast dich bereit erklärt, mich ins Krankenhaus zu begleiten“, erinnerte er sie kurz angebunden.
Sie hasste ihn, weil er so gefühllos war. Weil er ihr nicht geglaubt hatte. Weil er sie nicht liebte.
„Ja, um deine Schwester zu besuchen“, fuhr Anastasia ihn an. „Nicht, um mich von dir unterwegs beleidigen zu lassen. Ich hatte genug von deiner Familie zu ertragen.“
Rico atmete scharf ein, seine Augen blitzten gefährlich. Offensichtlich versuchte er, sich zu beherrschen – was ihm sonst immer gelang und worauf er sehr stolz war. Nur sie konnte ihn dermaßen aus der Ruhe bringen.
Seine Ausbrüche hatten Anastasia allerdings nie erschreckt. Vielmehr hatte sie es seltsamerweise tröstlich gefunden, dass Rico fähig war, Gefühl zu zeigen – und sei es nur Zorn.
„Denk von mir, was du willst, aber sag nichts gegen meine Angehörigen!“, forderte Rico schroff. „Ich liebe meine Familie.“
Genau das hatte ihn den Fehlern seiner Schwester gegenüber blind gemacht – und sie, Anastasia, bewogen, ihm nichts zu verraten, um ihm nicht die Illusionen zu rauben. Aber warum noch darüber reden?
„Ja, ich weiß.“ Sie versuchte, das Thema zu wechseln. „Hat sich Chiaras Zustand inzwischen gebessert? Was hat der Arzt dir gesagt?“
„Warum fragst du? Es ist dir doch ohnehin egal!“
Sie seufzte leise. Das war es eben nicht. Es war ihr auch nicht egal gewesen, dass seine Familie sie für geldgierig hielt. Das hatte ihr schließlich alle Freude an Ricos extravaganten Geschenken verdorben. Sie hatte aufgehört, den Schmuck zu tragen, weil Chiara und ihre Mutter dann immer vielsagende Blicke getauscht hatten.
„Es ist mir nicht egal, Rico. Wenn du das nicht weißt, kennst du mich schlecht.“
„Wie schlecht ich dich kenne, ist mir schon vor einiger Zeit klar geworden“, erwiderte er kalt. „Leider erst, nachdem ich dich geheiratet hatte. Sonst hätte ich dich nie zu mir nach Hause gebracht. Du hättest keine Gelegenheit gehabt, meine kleine Schwester zu verderben, indem du sie in Nachtclubs mitgenommen hast. Wer weiß, wozu du Chiara sonst noch ermutigt hast.“
Anastasia verspannte sich. Der Vorwurf war so ungerecht, so weit hergeholt, dass sie Rico zuerst nur sprachlos ansehen konnte. Glaubte er wirklich, was er da sagte? Das konnte sie nicht hinnehmen!
„Du irrst dich, Rico“, sagte sie mühsam beherrscht. „Und eines Tages wirst du mich dafür auf Knien um Verzeihung bitten.“
„Spar dir deine Worte!“, riet er ihr zynisch. „Ich habe dich in flagranti ertappt, meine Schöne. Gib endlich zu, dass du im Unrecht bist. Vielleicht können wir dann weitergehen.“
Weitergehen? Wohin denn? dachte sie, und heiße Tränen brannten ihr in den Augen. Rasch wandte sie das Gesicht ab, damit er nicht sah, wie elend sie sich fühlte. Die Genugtuung gönnte sie ihm nicht.
„Wir landen in zehn Minuten“, sagte er, plötzlich sachlich. „Und fahren sofort ins Krankenhaus.“
Es hat keinen Sinn, die Vergangenheit aufzuwühlen, dachte Anastasia und versuchte, sich auf das Naheliegende zu konzentrieren.
„Wie ist der Unfall passiert?“, erkundigte sie sich.
„Chiara war auf dem Landsitz von Freunden und ist mit deren gleichaltriger Tochter ausgeritten. Etwas hat das Pferd erschreckt, es ist durchgegangen und hat sie auf der Straße abgeworfen.“ Gequält schloss er die Augen. „Chiara hatte keinen Helm auf.“
Anastasia sah Rico an. Er wirkte im Moment nicht wie ein skrupelloser Geschäftsmann, sondern geradezu menschlich. Nicht einschüchternd, beinah verletzlich.
Er sieht wieder aus wie der Mann, in den ich mich verliebt habe.
Als hätte er ihren Blick gespürt, öffnete er die Augen, und sie wandte sich rasch ab. Rico Crisanti ist alles andere als verletzlich, rief sie sich in Erinnerung.
„Ich finde schrecklich, was Chiara passiert ist. Das musst du mir glauben“, sagte Anastasia nach kurzem Schweigen und wandte sich Rico erneut zu. Anders als er konnte sie ihre Gefühle nicht ständig verdrängen. „Für euch alle muss die jetzige Situation unerträglich sein! Die Unsicherheit, immer nur abwarten …“
„Ja, das ist, wie du weißt, nicht meine Stärke“, gestand er trocken und sah auf die Uhr, als das Flugzeug aufsetzte. „So, da sind wir. Ich muss dich warnen: Meine ganze Familie ist zurzeit im Krankenhaus versammelt. Alle sind verständlicherweise angespannt und haben ihre Gefühle nicht immer im Griff. Dass man dich nicht mit offenen Armen willkommen heißen
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