Das Beste aus 40 Jahren
Konto gewährt – und über deinen Körper.“
„Ich habe dir alles gegeben, Anastasia.“
„Ja, alles, was für Geld zu haben war. Dir kommt es doch letztlich nur aufs Geld an.“
„Wenn ja … dann nur, weil ich weiß, was Armut anrichten kann“, rechtfertigte er sich schroff.
Erstaunt über diesen Ton, sah sie Rico an. „Geld ist nicht alles.“
„Erzähl das mal einer Frau, die gerade ihren Mann verloren hat, den Ernährer der Familie. Einer Frau, die zwei Kinder zu versorgen hat“, rief er aufgebracht. „Erzähl es einer Familie, die Hunger leidet und Gefahr läuft, das Dach über dem Kopf zu verlieren.“
Dieser ungewohnte Gefühlsausbruch erstaunte sie. Sie ahnte, dass er von seiner Familie sprach, traute sich jedoch zunächst nicht nachzuhaken, weil sie befürchtete, er könne sich wieder hinter die Barrieren zurückziehen, die er rings um seine Emotionen errichtet hatte. So hatte er jedenfalls bisher immer reagiert, wenn sie etwas über seine Jugend und den frühen Tod seines Vaters hatte erfahren wollen.
„Du hast doch für deine Mutter und deine Schwester gesorgt“, bemerkte sie schließlich leise.
„Ich war fünfzehn“, erwiderte Rico schroff. „Zu jung, um ihnen die Unterstützung zu bieten, die nötig gewesen wäre.“ Er trank einen großen Schluck Wein. „Üblicherweise rede ich nicht über diese Zeit, und ich möchte das Thema nie wieder anschneiden, aber heute Abend erzähle ich dir, wie es war, bevor du noch mal so leichtherzig die Bedeutung des Geldes herabsetzt.“
Anastasia schwieg, aus Angst, das Falsche zu sagen.
„Damit ich genug zu essen bekam, hat meine Mutter oft verzichtet“, begann Rico ausdruckslos. „Mit beinah fatalen Folgen: Sie konnte Chiara nicht mehr stillen, die noch ein Säugling war. Jede Nacht weinte das Baby vor Hunger, und mamma weinte vor Verzweiflung. Da habe ich angefangen, so zu tun, als würde es mir nicht schmecken, sodass sie mit ruhigem Gewissen essen konnte.“
„Rico, ich …“
Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Weißt du, was es heißt, Hunger zu haben? Echten, unstillbaren Hunger?“
Stumm schüttelte sie den Kopf.
„Ich weiß es, cara mia . Meine Mutter ebenfalls.“ Rico sah bekümmert aus. „Hunger war letztlich die Triebfeder meines Erfolgs.“
Wie gern hätte Anastasia ihm tröstend die Hand gedrückt – doch intuitiv erfasste sie, dass es seinen Stolz verletzen würde, wenn sie ihn bemitleidete.
„Schließlich ging ich zu unserem Nachbarn, Gios Vater, und bat ihn um Arbeit, egal, welche. Er hatte kaum genug Geld, um seine eigene Familie zu erhalten, aber er gab mir, was er erübrigen konnte – und er ließ mich dafür arbeiten, weil er als Sizilianer genau wusste, dass mein Stolz mir verbot, Almosen anzunehmen. Ich hatte mir geschworen, das Geld eines Tags zurückzuzahlen, und auch das wusste er, ohne zu fragen. Es war einfach Ehrensache.“
Sie schluckte mühsam, denn ihr war vor Rührung die Kehle eng geworden. „Und Gio ist noch immer bei dir“, bemerkte sie schließlich.
Rico trank noch einen Schluck. „Ja, was uns verbindet, geht über einfache Freundschaft hinaus. Meine Familie schuldet seiner ewigen Dank fürs Überleben.“
Anastasia fand, dass Rico der Dank gebührte, denn er war bereit gewesen, alles für seine Mutter und Schwester zu tun! Er hätte auch anderswo Arbeit gesucht, wenn der Nachbar nicht hätte helfen können.
Plötzlich schämte sie sich, weil sie so leichtfertig den Wert des Geldes herabgesetzt hatte. Ihre Familie hatte nie Reichtümer besessen, aber es hatte immer für ein angenehmes Leben gereicht.
Still saß sie da, erschüttert von diesem Blick auf Ricos Jugend und gerührt, welche Fürsorglichkeit und Treue er schon in jungen Jahren bewiesen hatte.
Plötzlich wurde sie neidisch und wünschte, er hätte auch ihr so viel Fürsorge und Liebe bewiesen.
„Jetzt verstehe ich endlich, warum deine Mutter sich in allem auf dich verlässt und zu dir aufblickt wie zu einem Helden“, gestand Anastasia schließlich. „Ich habe einen ganz anderen familiären Hintergrund als du. Solide Mittelklasse, wenn du so willst. Allerdings hat mein Vater meine Mutter verlassen, deshalb liegt mir so viel an finanzieller Unabhängigkeit. An deinem Vermögen hat mir aber nie etwas gelegen, Rico, ich wollte immer nur dich.“ Wehmütig sah sie ihn an, weil er bestimmt nicht verstehen würde, worum es ihr ging. „Ich wollte dich genau kennen – wissen, was dich bewegt, wovor du Angst hast,
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