Das Beste aus 40 Jahren
war ein schöner Tag. Unter anderen Umständen wäre Dianne von der Aussicht begeistert gewesen, einen Tag auf dem Land verbringen zu dürfen. Jetzt war sie innerlich verkrampft und nervös, nicht imstande, sich zu entspannen.
Vor dem Hotel waren zwei Pferde angebunden, der Kombi war nirgends zu sehen. Dianne wandte sich fragend zu Manoel um, und er nickte langsam.
„Bist du enttäuscht?“, erkundigte er sich lässig. „Wärst du vielleicht lieber mit dem Kombi gefahren?“
„Das weißt du ganz genau!“, rief Dianne verärgert. „Ich bin seit Jahren nicht mehr geritten.“
„Seit drei Jahren, um genau zu sein“, betonte Manoel mit voller Absicht, und sie wandte den Blick ab.
Die beiden Pferde waren einander nicht ähnlich. Das eine war eine weiße Camargue-Stute, klein und gedrungen, offensichtlich sanften Gemüts. Das andere war auch eine Stute, aber schwarz und feurig, ein Pferd, das Diannes Ansicht nach ausgezeichnet zu Manoel passte. Vor drei Jahren hatte er einen schwarzen Hengst geritten, und im selben Augenblick sagte er auch, als wolle er ihre unausgesprochene Frage beantworten: „Das ist Consuelo, eine Tochter von Caspar.“
Dianne erwiderte nichts, und Manoel löste die Zügel der weißen Stute.
„Sie heißt Melodie“, sagte er, rieb dem Pferd die Nase und legte dann die Hände ineinander, um Dianne Steigbügelhilfe zu leisten.
Aber Dianne wollte keinen Kontakt mit ihm, setzte den Fuß in den Bügel, griff nach dem Sattelknopf und schwang sich allein in den breiten Sattel. Manoel sah sie einen Augenblick prüfend an, als wolle er sich überzeugen, ob sie sich noch im Sattel halten konnte. Dann stieg er mit einem für ihn charakteristischen Schulterzucken selbst auf. Er hatte, das merkte Dianne sofort, das ungebärdige Tier hervorragend in der Hand.
Dianne wartete darauf, dass er sich in Bewegung setzte, und als er leicht mit Consuelos Zügeln schnalzte und die Stute elegant den Platz zu überqueren begann, grub Dianne ihrem Pferd die Absätze in die Flanken und ritt hinterdrein. Obwohl sie schon lange nicht mehr geritten war, fiel es ihr nicht schwer, die Stute zu lenken. Sie erinnerte sich sofort wieder an alles, was Manoel sie einmal gelehrt hatte. Er war sehr gründlich und unnachsichtig gewesen, nicht den kleinsten Fehler hatte er ihr durchgehen lassen.
Die beiden Pferde trabten, ohne Aufsehen zu erregen, eine schattige Straße entlang. Hin und wieder nickte Manoel jemandem zu, oder er wechselte ein paar Worte mit einem Bekannten. Diane ritt eine halbe Pferdelänge hinter ihm. Erst als die Häuser zurückblieben und sie das offene Land erreichten, drehte er sich halb im Sattel um und fragte ironisch:
„Bien – nun? Hast du Schwierigkeiten?“
Dianne schüttelte den Kopf. „Nicht die geringsten.“
„Gut.“ Er kniff spöttisch die Augen zusammen. „Dann bist du vielleicht so nett und reitest neben mir. Ich bin kein arabischer Prinz, der von seinen Frauen Unterwürfigkeit erwartet.“
Dianne machte eine, wie sie hoffte, resigniert wirkende Geste und trieb Melodie ein wenig an. Manoel warf ihr einen ungeduldigen Blick zu.
„Glaubst du, dass wir ein bisschen schneller reiten könnten? Oder ist das zu viel verlangt?“
Ohne zu antworten, spornte Dianne die Stute zu einem leichten Galopp an. Melodie gehorchte sofort. Auf der linken Seite wurden sie jetzt von Marschland begleitet, und in der Ferne schimmerte das Wasser eines Étang. Die Luft schmeckte nach Salz, und Dianne genoss das Gefühl der Freiheit, das sie erfüllte.
Die Sonne schien ihr warm auf den Rücken. In den strahlend blauen Marschen wimmelte es von Vögeln aller Art, die schwammen, tauchten, jagten und lärmten. Hier war man der Natur sehr nahe, man spürte die pralle Erdhaftigkeit aller Dinge, und diese Erdhaftigkeit machte Dianne unruhig. Erinnerungen schlugen über ihr zusammen wie Meereswogen.
Hier war sie mit Manoel schon einmal geritten. Doch damals war ihre Beziehung naturverbunden gewesen, ein Teil jener primitiven Kraft, die alle Geschöpfe dazu trieb, Erfüllung in einem zweiten Geschöpf ihrer Art zu finden.
Sie drehte sich um und sah ihn an. Er hatte Consuelo zurückgehalten und war ruhig hinter ihr geblieben. Aber als sich jetzt ihre Blicke trafen, trieb er die schwarze Stute bewusst an, und sie galoppierte an Dianne vorbei und über die Marsch zu der dahinterliegenden Lagune.
Dianne zögerte nur einen Augenblick. Dann gab sie Melodie den Kopf frei, und die kleine Stute galoppierte aufgeregt
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