Das Beste aus 40 Jahren
nahe kam, dass er die starke Ausstrahlung seiner Sinne dazu benutzte, sie in einen solchen Zustand zu versetzen. Sie war nahe daran, ihm die Wahrheit ins Gesicht zu schreien, gleichgültig, was für vernichtende Folgen es hatte.
Mit übermenschlicher Anstrengung entriss sie ihm ihre Hände, drückte die Knie in die Flanken ihres Pferdes, sodass die sanfte Stute erschrak und lospreschte. Sobald sie aus dem Wasser draußen war und festen Boden unter den Hufen spürte, galoppierte sie blindlings davon, und Dianne klammerte sich verzweifelt an die zottige Mähne.
5. KAPITEL
Dianne hörte Manoel zornig ihren Namen rufen, war dann jedoch viel zu sehr damit beschäftigt, sich auf Melodies gestrecktem Rücken zu halten, als dass sie noch etwas anderes gehört hätte. Melodie war zwar klein, aber unglaublich schnell, und hier war ihr Land, das Land, in dem sie zu Hause war. Sie verweigerte Dianne jeden Gehorsam.
Doch ehe Dianne anfing, sich ernsthaft zu fürchten, tauchte die schwarze Stute wieder an ihrer Seite auf, und Manoel griff geschickt und kraftvoll nach den schleifenden Zügeln. Allmählich ergab Melodie sich dem Druck der erfahrenen Hände und verlangsamte den Schritt. Endlich brachte Manoel beide Pferde zum Stehen. Erst jetzt begann Dianne zu zittern, und zwar ebenso unter Manoels funkelndem Blick wie vor Schreck über den wilden Ritt.
Er schwang sich aus dem Sattel, und einen grässlichen Augenblick lang glaubte Dianne, er werde auch sie herunterreißen. Aber dann wandte er sich der über und über mit Schweiß bedeckten Stute zu, beruhigte sie mit sanften Worten und streichelte ihr die Nase, bis sie das weiche Maul in seine Hand schmiegte.
Dianne beobachtete ihn nervös und begann zu frösteln, als sie begriff, wie nahe sie daran gewesen war, abgeworfen zu werden. Sie war leichtsinnig und töricht gewesen und wünschte nur, Manoel möge etwas sagen und sie nicht mit so viel Verachtung in den Tiefen seiner grauen Augen anschauen. Sein Verhalten war fast schlimmer als der schlimmste Zorn, und unbeherrschter Ärger wallte in ihr auf. Schließlich war er schuld. Er hatte sie so lange gereizt, bis sie nicht mehr wusste, was sie tat.
Manoel wandte sich dann von der weißen Stute ab, klopfte liebevoll Consuelos Flanke und saß wieder auf. Eine Zeit lang ritten sie schweigend dahin. Dianne hielt ihr Pferd absichtlich ein wenig zurück, um jedes Gespräch zu vermeiden. Von Zeit zu Zeit blickte er sich um und sah sie an, doch sie wich seinen Augen aus und hätte nicht sagen können, was er dachte. Die Sonne stieg höher, es wurde sehr heiß. Dianne wünschte sich jetzt nur noch, bald am Ziel zu sein. Endlich tauchte in der Ferne das spitze Schrägdach einer kleinen Cabane auf.
Cabane hießen die Häuser der Gardiens, die auf den Mas arbeiteten. Aber heutzutage waren die Behausungen viel wohnlicher als die ursprünglichen, nur einen Raum beherbergenden Hütten aus Schilf und Binsen. Diese Cabane jedoch stammte noch aus früherer Zeit und hatte ein steiles, weit ausladendes Strohdach. Als sie näher kamen, stellte Dianne fest, dass die Hütte offensichtlich unbewohnt war, und sie fragte sich, warum Manoel wohl so zielbewusst darauf zuhielt.
Das kleine Grundstück, auf dem die Cabane stand, war eben und fruchtbar. Dort angekommen, stieg Manoel vom Pferd, klopfte Consuelos Hals und streckte sich dann mit träger Anmut. Als Dianne näher kam, sagte er: „Steig ab. Ich habe Durst und glaube, wir brauchen beide eine kurze Rast.“
Dianne blieb im Sattel, und Manoel stützte arrogant die Hände in die Hüften. „Soll ich dich herunterholen?“, fragte er grimmig, „oder kommst du freiwillig?“
Dianne presste die Lippen zusammen. „Du hast gesagt, du bringst mich zum Mas. Ist das etwa euer Haus? Hat es sich in den vergangenen drei Jahren so verändert?“
„Sei nicht kindisch!“ Manoel machte eine ungeduldige Geste. „Wir reiten zum Mas, aber später. Jetzt habe ich Hunger. Du nicht?“
Dianne betrachtete die unbewohnte Hütte mit einem Anflug nervöser Unruhe. „Hier – hier bekommen wir doch bestimmt nichts zu essen“, widersprach sie hartnäckig, und ihr Herz klopfte unregelmäßig.
Manoel packte Melodies Sattelgurt und starrte Dianne finster an. „Um Himmels willen“, stieß er gepresst hervor, „glaubst du, ich will dich verführen? Ich habe dich nicht hierhergebracht, um mit dir die Wonnen der Liebe auszukosten.“ Seine Augen wurden dunkel, und seine Stimme klang so zynisch, dass es Dianne einen
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