Das Beste aus 40 Jahren
schlug Henri eine Spazierfahrt zu den Weingärten im oberen Rhônetal vor, doch Dianne lehnte ab. Nîmes lag im oberen Rhônetal, und sie hatte nicht den Wunsch, Manoel zu begegnen, während sie mit Henri zusammen war. Überdies würde Manoel vermutlich annehmen, sie liefe ihm nach. Obwohl ihr der Gedanke im Grunde eigentlich nicht missfiel, unterdrückte sie den närrischen Wunsch sofort wieder.
Sie fuhren stattdessen nach Les-Saintes-Maries-de-la-Mer und gingen zwei Stunden am Strand spazieren. Dianne erfuhr an diesem Nachmittag sehr viel über Henris persönliche Verhältnisse. Er erzählte ihr, dass seine Familie in Arles ein großes Kaufhaus besaß, das in Avignon und Marseille Filialen hatte, und dass er in Paris Betriebswirtschaft studiere, um später die Leitung der Firma übernehmen zu können.
Im Augenblick verfügte er, da Semesterferien waren, über viel Freizeit, und Dianne dachte, dass sie sich eigentlich geschmeichelt fühlen sollte, weil er sich so für sie interessierte. Zweifellos betrachtete ihn jede liebevolle Mutter einer Tochter in Arles als guten Fang, und wie Manoels Eltern würden auch seine Eltern kaum damit einverstanden sein, wenn er sich mit einer mittellosen englischen Lehrerin anfreundete.
Sie selbst blieb recht zurückhaltend und bestärkte Henri in seiner Meinung, sie verbringe lediglich ihren Urlaub in Arles. Dabei wurde ihr im Lauf des Nachmittags immer klarer, dass Henri Manoel und seine Familie kennen musste. Mas St. Salvador war schließlich ein großes, blühendes Unternehmen, und in den Weingärten im oberen Rhônetal wuchs vielleicht der Wein, den Henris Vater in seinen Warenhäusern verkaufte.
Doch ein einziges Mal wollte Dianne nicht an die Folgen denken, die es haben konnte, wenn Manoel erfuhr, dass sie Henri kannte, oder Henri über den wahren Grund ihres Aufenthalts in Arles unterrichtet wurde. Innerlich zwar etwas distanziert, genoss sie diesen Nachmittag. Es war Jahre her, seit sie sich gestattet hatte, in völliger Ungezwungenheit mit einem Mann zusammen zu sein. Henri war so charmant und nett, dass sie sich mit ihm wohlfühlte. Sie unterhielten sich über Bücher, Bilder und modernes Theater, und sie war erstaunt, als er ihr plötzlich sagte, es sei schon fast fünf Uhr.
In Henris schnittigem Sportwagen fuhren sie nach Arles zurück. „Wann darf ich Sie wiedersehen? Heute Abend?“, sagte er lebhaft, als er vor dem Hotel hielt.
Dianne wickelte sich den Schulterriemen ihrer Handtasche um den Finger. „Nein – nicht heute Abend, Henri“, erwiderte sie nachdenklich. „Und morgen auch nicht. Für – für morgen habe ich schon ein festes Programm.“
Henris Gesicht verlor etwas von seiner Lebhaftigkeit. „Wann dann?“
Dianne seufzte. Wie konnte sie sich mit ihm verabreden, wenn sie nicht einmal wusste, wie lange sie blieb?
„Können Sie mich vielleicht anrufen?“, schlug sie vor. „Das wäre das Beste.“
Henris Blick verriet Enttäuschung. „Na schön, wenn Sie es für das Beste halten. Aber Sie kommen dann doch an den Apparat, nicht wahr?“
Dianne lächelte ihn an. „Aber selbstverständlich. Es war heute Nachmittag sehr hübsch, es hat mir wirklich gut gefallen. Bitte, glauben Sie doch nicht, ich suchte nach Ausflüchten. Das ist nicht der Fall.“
Henris ursprüngliche Ungezwungenheit kehrte wieder zurück, er entspannte sich ein wenig. „Gut, gut, ich rufe an. Übermorgen, oui?“
„Ja.“ Dianne nickte und stieg rasch aus, denn seine Hand hatte sich auf die Rückenlehne ihres Sitzes verirrt und berührte ihr Haar. „Auf Wiedersehen“, sagte sie.
Henri lächelte matt. „Au revoir – auf Wiedersehen, Dianne.“ Er hob die Hand, und dann schnurrte der Sportwagen leise davon.
In ihrem Zimmer warf Dianne achtlos die Handtasche auf einen Sessel und streckte sich. Es war nicht gelogen. Sie hatte sich, wenn auch auf oberflächliche Weise, wirklich gut unterhalten. Henri beunruhigte sie nicht, und sie konnte sich ihm gegenüber ganz natürlich benehmen.
Ihr war selbstverständlich klar, dass er sie anziehend fand und in sie verliebt war. Doch sie war es gewohnt, dass Männer sie bewunderten, und wusste auch, wie oberflächlich diese Bewunderung meist blieb, die ausschließlich ihrer Weiblichkeit und nicht ihrer Persönlichkeit galt. Sie ahnte nicht, dass es nicht nur ihr gutes Aussehen war, das die Männer anziehend fanden.
Sie legte die Kleider ab, ging unter die Dusche, schlüpfte in ihren Bademantel und legte sich auf das Bett. Sie
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