Das Beste aus 40 Jahren
hinter ihrer muskelkräftigeren Cousine her. So über endlose Weiten zu reiten, von keinem Hindernis beengt, war ein großartiges Erlebnis. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Ihre einzigen Gefährten waren eine Herde schwarzer Rinder, die ziemlich weit entfernt weideten und sie nicht beachteten. Salzwasser spritzte Dianne auf Arme und Beine. Sie war froh, dass sie vernünftig und vorausschauend genug gewesen war, Stiefel anzuziehen.
Sie ritten in eine tiefere Lagune ein, und die Pferde wurden langsamer. Dianne geriet in Versuchung, die Beine hochzuziehen, aber Manoel tat es nicht, also ließ auch sie es bleiben. Sie hatte nicht das Verlangen, das Gleichgewicht zu verlieren und ins Wasser zu fallen.
Doch das blaue Wasser und die darunterliegenden Sandbänke waren unglaublich einladend, und sie dachte, wie herrlich es wäre, jetzt schwimmen zu können. Sie hatten die Straße verlassen, über die sie mit ihrem Citroën gefahren war, und einen kürzeren Weg über die Marschen eingeschlagen.
Dianne gefiel dieser Weg viel besser. Hier wurde das Land noch nicht urbar gemacht, man sah weder Reisfelder noch Touristen. Es war ganz ursprünglich und schön und für Dianne im Augenblick der schönste Ort der Welt.
Manoel ließ seine Stute langsamer gehen, drehte sich um und blickte in ihr verzücktes Gesicht.
„Bist du noch immer enttäuscht?“, fragte er, als er mit ihr auf gleicher Höhe war. Er beugte sich zu ihr hinüber und richtete etwas an ihrem Steigbügel.
Dianne schüttelte den Kopf. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihre Freude an diesem herrlichen Morgen nicht offen zu zeigen. Manoel sah sie einen Moment forschend an, richtete sich auf, griff in die Tasche und holte seine Zigarren hervor. Er zündete eine an.
„Findest du es nicht zu ermüdend?“ Er kniff die Augen zusammen, weil die Sonne so grell auf dem Wasser lag. Dann sah er Dianne wieder an und ließ seinen Blick über ihre langen, schlanken Beine wandern. „Tut dir nichts weh?“
Wieder schüttelte Dianne den Kopf. „Ich werde morgen wahrscheinlich ganz steif sein, aber …“ Sie holte tief Luft und seufzte. „Dieser Morgen, diese Landschaft … alles ist so schön, dass ich noch gar keine Zeit hatte, an mich zu denken.“
Manoel zog ausgiebig an seiner Zigarre und stieß den blauen Rauch wieder aus, der sich über ihren Köpfen zerteilte.
„Warum hast du das getan, Dianne?“, fragte er plötzlich hart und schneidend.
Dianne hielt den Atem an. „Warum – warum hab’ ich was getan?“
„Warum bist du fortgegangen, ohne mir etwas davon zu sagen? Hätte ich nicht verdient, es zu erfahren?“
Er musterte sie unbarmherzig, und Dianne schoss unter seinem durchbohrenden Blick das Blut ins Gesicht. Unbehaglich rutschte sie im Sattel hin und her. Gerade hatte sie zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in der Camargue ein wenig Frieden gefunden. Aber noch immer war Manoel fähig, diesen Frieden mit einem einzigen Satz grausam zu zerstören.
Jetzt suchte sie nach den richtigen Worten, um ihm antworten zu können. „Deine Mutter hat dir doch bestimmt alles erklärt“, sagte sie mühsam.
Manoel fluchte laut. „Ich spreche nicht von meiner Mutter, ich spreche von dir! Von dir möchte ich wissen, warum du mich zum Narren gehalten hast. Ich möchte wissen, wann ich dir unrecht getan habe. Und warum du, nach allem, was in der letzten Nacht zwischen uns geschah –“
„Oh, hör auf, hör auf!“ Dianne presste die Hände auf die Ohren, um seine Stimme nicht mehr hören zu müssen. „Was hat es für einen Sinn, in der Vergangenheit zu graben, alles wieder aufzuwühlen? Du hast deinen Weg gewählt und ich den meinen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.“
„Damit gebe ich mich nicht zufrieden, verdammt noch mal!“ Er griff Melodie in die Zügel und hielt sie fest. „Du hast recht, die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern. Aber ich möchte wissen, warum du damals an der Zeremonie teilgenommen hast, obwohl du wissen musstest –“
Dianne versuchte, die Zügel freizubekommen und sie ihm zu entreißen, fühlte jedoch stattdessen ihre Hände festgehalten. Die Kühle seiner Finger auf ihrer brennenden Haut – diese Berührung war wie ein Stromschlag, eine magnetische Kraft, die sie in dieser Welt aus Sonne, Wasser und Himmel aneinander band.
„Dianne!“
Die Leidenschaft in seiner Stimme betäubte sie, und sein Blick schien in die geheimsten Winkel ihrer Seele vorzudringen. Dianne stockte der Atem. Es war nicht fair, dass er ihr so
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