Das Beste aus 40 Jahren
war müde, doch das war unter den gegebenen Umständen nicht erstaunlich. Sie hatte seit ihrer Ankunft nicht mehr gut geschlafen und konnte sich nicht völlig entspannen, weil zu vieles sie bewegte. Aber heute Nachmittag hatte die Seeluft sie müde gemacht, die Augen fielen ihr zu, und nach einer Weile war sie eingeschlafen.
Als sie aufwachte, war es draußen dunkel. Sie war völlig durchgefroren, sprang auf und machte sich auf die Suche nach ihrer Uhr. Sie fand sie auf dem Toilettentisch, wo sie sie abgelegt hatte, bevor sie unter die Dusche ging. Bestürzt stellte sie fest, dass es kurz vor Mitternacht war, sie konnte es kaum glauben. Sie hatte fast sechs Stunden geschlafen.
Leise öffnete sie die Tür ihres Zimmers und lauschte hinaus. Von unten drang kein Laut zu ihr herauf, und achselzuckend machte sie die Tür wieder zu. Sie konnte ruhig wieder zu Bett gehen, es hatte keinen Sinn, sich jetzt noch einmal anzuziehen.
Doch sobald sie zwischen den kühlen Laken lag, war sie plötzlich hellwach. Der Mond schien durch die Fenster herein und tauchte das Zimmer in ein fahles Licht. Irgendwo in der Nähe des Hotels spielte jemand eine wehmütige Melodie auf der Gitarre; eine Melodie, die auf wunderliche Weise ihre Sinne bewegte.
Mit einem schweren Seufzer glitt sie aus dem Bett, tappte zum Fenster und blickte auf den von Schatten umlagerten Platz hinunter. Das Laub der Platanen zitterte in einer sanften Brise, und das Mondlicht verwandelte die Stämme in geisterhaftes Grau.
Auf dem Platz, von den Bäumen halb versteckt, parkte ein großer, staubbedeckter Kombiwagen. Noch während Dianne hinaussah, tauchte aus dem Schatten der Bäume ein hochgewachsener, dunkler Mann auf. Das blasse Mondlicht versilberte sein Haar, er trug dunkle Kleidung, die Tracht der Gardiens; die Weste aufgeknöpft, die Ärmel des dunklen Hemdes bis auf die Oberarme eingerollt.
Plötzlich hob er den Kopf und ließ seinen Blick über die dunklen Fensterreihen des Hotels schweifen. Aufgeregt fuhr Dianne vom Fenster zurück und lehnte sich an die Wand. Es war Manoel! Manoel, der hier vor dem Hotel mit nervtötender Hartnäckigkeit auf und ab ging.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und wagte noch einen Blick hinaus. Jetzt stand er gegen die Motorhaube seines Wagens gelehnt und zündete sich eine Zigarre an. Die kleine Streichholzflamme erhellte sekundenlang die strengen Gesichtszüge. Er ließ die Zigarre im Mund, stützte die Hände auf die staubige Motorhaube, ließ die Schultern schlaff nach vorn fallen und blieb reglos stehen, ein Bild tiefster Niedergeschlagenheit.
Dianne hielt den Atem an, die Kehle wurde ihr eng. Was tat er so spät nachts hier? Was wollte er? Was war ihm nur eingefallen, so weit zu fahren, um hier vor dem Hotel zu warten? Was für schreckliche Gedanken hatten ihn aus dem Bett auf diesen verlassenen Platz getrieben?
Sie schlang die Arme um sich selbst und spürte eine Übelkeit in sich aufsteigen, die nicht vom Hunger herrührte, zumindest nicht von physischem Hunger. Warum war sie nur am Nachmittag eingeschlafen? Warum hatte sie nicht zur üblichen Zeit zu Bett gehen können, damit ihr dieser Anblick erspart blieb?
Sie wandte sich wieder dem Fenster zu und blinzelte rasch, als könne sie ihren Augen nicht trauen. Der Kombi war nicht mehr da. Der Platz war leer. Sie war so mit ihrem Unglück beschäftigt gewesen, dass sie nicht einmal den Motor gehört hatte …
Am nächsten Morgen war Dianne sehr früh wach und frühstückte lange vor den anderen Gästen des Hotels. Sie war nervös und zerstreut und hatte es im Bett nicht mehr ausgehalten. Sie trug ein einfaches, blaues Baumwollkleid, das schon bessere Tage gesehen hatte und das für diesen Tag bestimmt richtig war. Sie wollte nicht, dass Madame St. Salvador oder Yvonne dachten, sie wolle sich besonders in Szene setzen. Dabei war ihr nicht bewusst, dass sie beinahe alles mit Eleganz tragen konnte.
Aber die Zeit verging, und Manoel erschien nicht. Dianne wurde allmählich immer aufgeregter. Sie hatte geglaubt, er würde bald kommen. Als es auf halb elf ging, begann sie sich zu fragen, ob er überhaupt noch käme.
Sie hatte Herzklopfen und ging unruhig in der Hotelhalle auf und ab. Wenn er doch nur kommen wollte! Oder ließ er sie absichtlich warten, weil er hoffte, davon irgendeinen Vorteil zu haben? Erbittert lief sie noch einmal zur Tür und sah auf den Platz hinaus.
Monsieur Lyons, der Hoteldirektor, kam hinter dem Empfangspult hervor und fragte sie, ob etwas
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