Das Beste aus 40 Jahren
und blieb nur wenige Zentimeter vor ihr stehen. Dianne hielt den Kopf hoch erhoben, denn er sollte um keinen Preis merken, wie sehr er sie in Verwirrung brachte.
„Warum trägst du eigentlich eine so unvorteilhafte Frisur?“, fragte er rau. „Der Knoten ist einfach grässlich. Früher hast du das Haar doch immer offen getragen, wenn ich mich recht erinnere.“
Diannes Lider flatterten, und sie atmete heftig. „Ich finde“, fluchte sie, „meine Frisur geht dich gar nichts an.“
„So – findest du?“, meinte er spöttisch. Die Daumen im Gürtel, stand er völlig entspannt vor ihr. „Und was willst du tun, wenn ich gegenteiliger Ansicht bin?“
Verlegen knöpfte Dianne ihre Bluse zu. „Bitte, Manoel, streiten wir doch nicht schon wieder!“
Sein Gesichtsausdruck wurde hart. „Nennst du unsere Auseinandersetzung von vorhin einen Streit?“ Er schüttelte den Kopf.
Dianne seufzte. „Ich trage mein Haar so, weil ich als Lehrerin von fünfunddreißig Kindern vielleicht ein bisschen älter und erfahrener aussehen sollte“, erklärte sie ihm, um ihn nicht zu verärgern.
„Du stehst jetzt nicht vor deiner Klasse, Dianne.“ Sein Blick glitt über ihr Gesicht und blieb in dem tiefen Ausschnitt ihrer Bluse haften.
Dianne wandte sich ab, sie konnte die feindseligen Gefühle einfach nicht mehr ertragen. „Bitte“, sagte sie abermals, „wir sollten jetzt lieber aufbrechen, meinst du nicht auch?“ Sie spürte mit allen Poren, dass er dicht hinter ihr stand, und war überzeugt, dass sie sich, wenn er sie jetzt berührte, völlig zum Narren machen würde.
Aber Manoel schien die Lust verloren zu haben, sie weiterhin zu reizen und herauszufordern. Sie hörte ihn davongehen und seinem Pferd pfeifen. Sofort ließ ihre Spannung nach. Ihr war, als fiele sie in sich zusammen. Immer, wenn ihre von Manoel mit eiskalter Zielbewusstheit aufgewühlten Empfindungen sie in eine aussichtslose Situation manövriert hatten, überkam sie ein Gefühl völliger Leere. Ihre Handflächen wurden feucht, und sie rieb sie rasch an den Hosenbeinen trocken.
Verzweifelt fragte sie sich, was sie eigentlich von ihm erwartete. Es wäre sinnlos gewesen, nicht zuzugeben, dass seine Nähe sie über alle Maßen beunruhigte. Sie liebte ihn auch heute noch mit derselben, sich völlig preisgebenden Liebe wie vor drei Jahren. Doch das hatte sie schon gewusst, bevor sie England verließ. Es war auch der Grund, warum sie sich ursprünglich geweigert hatte hierherzukommen. Sie fürchtete, dass sie nicht stark genug wäre, seine Nähe zu ertragen und ihre Gefühle zu beherrschen.
Aber sie hatte sich mit dem Gedanken beschwichtigt, dass Manoel inzwischen verheiratet, glücklich verheiratet war und vielleicht selbst ein Kind hatte. Dadurch wäre er für sie unerreichbar und gegen jedes körperliche Verlangen immun geworden. Nur war Manoel nicht verheiratet, und er war ganz gewiss nicht mehr der unbeschwerte, unkomplizierte Mann, den sie gekannt hatte. Er war härter, erfahrener, nicht mehr bereit, alles für bare Münze zu nehmen, trotz allem aber viel anziehender als damals. Sie sehnte sich heute noch genauso nach ihm wie vor drei Jahren …
Er saß bereits im Sattel und wartete ungeduldig auf sie. Sie riss sich zusammen und ging zu ihrem Pferd. Es fiel ihr jetzt nicht mehr so leicht, ohne Hilfe aufzusitzen. Der anstrengende Ritt und die kurze Rast hatten ihre Muskeln versteift. Es bereitete ihr große Schwierigkeiten, das Bein über Melodies Rücken zu schwingen. Mit würdeloser Tollpatschigkeit setzte sie sich zurecht und ließ müde die Schultern nach vorne sinken.
Manoel zupfte an Consuelos Zügeln, und die große Stute kam anmutig auf sie zu. „Geht es dir gut?“, fragte er. Sein Gesicht wirkte aufrichtig besorgt.
Dianne blickte resigniert zu ihm auf. „Selbstverständlich“, antwortete sie, „warum auch nicht?“
Manoel verzog den Mund. „Hör doch auf, ständig zu opponieren, Dianne“, sagte er ruhig. „Versuche wenigstens, dich auf dem Mas wie ein zivilisiertes Wesen zu benehmen.“
Dianne starrte ihn wütend an. „Was soll das denn schon wieder heißen?“
Manoels Blick flackerte über sie hin. „Meine Mutter und Yvonne werden uns beobachten – werden genau beobachten, wie wir aufeinander reagieren. Ich habe nicht die Absicht, ihren Spekulationen neue Nahrung zu geben.“
Dianne hatte ein trockenes Gefühl im Mund. „Dann hättest du mich vielleicht lieber nicht hierherbringen sollen“, entgegnete sie.
Manoels Augen
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