Das Beste aus meinem Leben
kein Geld für neue Unterwäsche haben? Dann hätte ich diese.«
»So ein Unsinn!«, ruft sie. »Dann hast du die Wäsche, die du jetzt auch trägst!«
»Ja, aber die alte hätte ich zusätzlich«, sage ich.
»Du spinnst«, sagt sie. »Dann schmeiße ich sie irgendwann weg, wenn du nicht da bist.«
»Wehe!«, schreie ich, verzweifelt und voller Ahnungen. »Wehe, du schmeißt hinter meinem Rücken etwas weg!« Man muss wirklich aufpassen als Behalter. Die meisten von uns sind mit Wegschmeißerinnen verheiratet, die jede Gelegenheit nutzen, um wertvollstes, erinnerungsträchtigstes Eigentum in den Müll zu geben und sich dann vor Freundinnen zu brüsten: »Er hatte wirklich diesen zerschlissenen Bademantel hinten im Schrank und Cordhosen, die ihm seit der Konfirmation nicht mehr passen, und eine lächerliche Prinz-Charles-Reitmütze, die ihm seine frühere Frau geschenkt hat, weil sie mit ihm aufs Land ziehen wollte… Und dann habe ich, als er auf Dienstreise war, alles in den Container geworfen. Wisst ihr was? Er hat es nicht mal gemerkt!« So reden sie.
Ich lebe zwischen alten Sachen. Ich habe mir angewöhnt, sie in alten Blechschachteln zu verstauen, auf denen Werbesprüche stehen wie: »Avo – wer damit würzt, sagt Bravo!« Eine Schachtel habe ich, in der liegen kaputte Walkmen, die man in schlechten Zeiten reparieren könnte, und stumpfe Opinel-Messer, die man in schlechten Zeiten schleifen lassen würde, und Brustbeutel aus den siebziger Jahren, in die man in schlechten Zeiten sein Geld stecken würde, und eine versteinerte Marzipanfigur, die man in schlechten Zeiten essen würde.
Wissen Sie, eigentlich geht es mir selbst auf die Nerven: altes Gelumpe, das mich an Zeiten erinnert, an die ich nicht erinnert werden will. Im übrigen ist Behalten zwanghaft und kindisch. Jeder psychoanalytisch geschulte Wegschmeißer kann einem erklären, dass sich ein Behalter verhält wie ein Kind, das zum erstenmal auf dem Töpfchen sitzt, und dessen Mutter riesengroß vor ihm steht und wartet – und das Kind entdeckt zum erstenmal, dass es nicht machtlos gegenüber dieser Mutter ist, sondern sie zappeln lassen kann und warten und warten. Behalten, sagen diese Wegschmeißer, ist eine aus früher Kindheit ins Heute transportierte Verhaltensweise, neurotisch.
Allerdings sagen daraufhin die psychoanalytisch geschulten Behalter: Und was ist der Wegschmeißer anderes als einer, der sich sofort dem Willen der Mutter ergibt, widerstandslos, ängstlich, feige? Wegschmeißen, sagen diese Behalter, ist eine aus frühester Kindheit ins Heute transportierte Verhaltensweise, neurotisch.
Natürlich ist es vollkommen unmöglich, dass Behalter und Wegschmeißer im gleichen Haushalt leben. Aber das ist ja bei Männern und Frauen nicht anders.
Ich persönlich habe beschlossen, dies hinter mir zu lassen. Ich empfinde plötzlich so eine Bewunderung für kühles Sich-trennen-können, für erwachsenes Überlegen: Was brauche ich, was nicht, woran hängt mein Herz wirklich, was behalte ich nur aus einer Behaltensneurose heraus – ach, es ist herrlich, das so sehen zu können, und ich werde nun meine Dinge sortieren, mit klarem Kopf, gleich morgen.
Oder übermorgen.
Wie darf ich es dir machen?
B is gestern wusste ich sehr wenig über meine Kopfhaut, ihren Charakter, ihre Bedürfnisse. Heute morgen aber massiere ich sie mit dem Öl der Florida-Palme und den Extrakten der Siegesbeckia-Pflanze, welche auf Madagaskar wächst. Ich habe eine sensible Kopfhaut, hat Pierre gesagt, und Pierre muss es wissen, denn er ist mein Friseur.
Als ich ein kleiner Junge war, hieß mein Friseur Herr Molnar und hatte einen blauen Kittel an. Herr Molnar handelte auf Anweisung meines Vaters. Wenn ich auf dem Frisierstuhl Platz genommen hatte, sagte mein Vater zu Herrn Molnar: »Ordentlich was runter! Wie immer!« Der Friseur wickelte meinen Hals in kratzendes Schutzpapier, holte Kamm und Schere aus der Kitteltasche, kämmte mein Haar gerade nach vorne und schnitt es über der Stirn in einer Linie ab. Dann mähte er meine Schläfen mit seiner Remington, bis die Haare dort so kurz waren wie das Sommerfell einer Maus. Den ganzen Tag juckte mein Hals von den Stoppeln, die in den Hemdkragen gerutscht waren.
Einmal, als ich dreizehn war, ging ich allein zu Herrn Molnar, weil mein Vater keine Zeit hatte. Da bat ich, mir einen Scheitel zu machen, ein klitzekleines Scheitelchen. Nicht alle Haare nach vorne bürsten, sondern links einen Scheitel ziehen, die Haare
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