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Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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alle Fragen offen und will ihm die Welt erklären.
    Wir fahren durch die Straßen. Ein Betonmischer kreuzt unsere Bahn. Ich sage, bevor Luis fragen kann: »Schau mal, Luis, ein Betonmischer.«
    »Ja, und da ist ein Mischalong«, ruft Luis.
    »Wo ist ein Mischalong?«
    »Da!«, ruft Luis und zeigt auf den Betonmischer.
    »Das, was du Mischalong nennst, ist ein Betonmischer«, sage ich.
    »Nein, es ist ein Mischalong«, sagt er. »Ich will Musik.« Ich mache das Radio an, aber Luis will eine CD hören. Er will die CD selbst aussuchen. Jeden Morgen sucht er dieselbe CD aus, kramt in den Plastikhüllen mit den CDs so lange, bis er sie hat, und reicht sie mir nach vorn: den Soundtrack von Pulp Fiction.
    »Everybody cool, this ’s a robbery!« Pangpangdadapangpang… So geht das im Auto, und manchmal trinkt Luis dabei aus einem Milchfläschchen. Das Jugendamt hat noch keinen Brief geschickt, was mit Kindern ist, die zum Milchfläschchen den Pulp Fiction -Soundtrack hören.
    Heute mache ich einen Fehler beim Einschalten, habe aus Versehen das Radioprogramm drin, und jemand sagt was von Joseph Beuys…
    »Jesus Beuys!«, ruft Luis und setzt die Milchflasche ab. »Davon hat die Marita erzählt.«
    Marita ist die Kunsterzieherin im Kindergarten.
    »Aber der hieß Joseph Beuys, Luis!«
    »Nein, Jesus Beuys, hat die Marita gesagt.«
    »Das hast du falsch verstanden!«
    »Nein, nein, und er hat sich in Tölz gewickelt, der Jesus Beuys.«
    »In Tölz?«
    »Ja!«, ruft Luis laut, denn jetzt läuft die Musik. Everybody cool!!! »In Tölz. Das ist so was Kuschelweiches.«
    »Tölz? Meinst du Fett? Aber Fett ist nicht kuschelweich.«
    »Nein, Tölz. Er hat sich hineingewickelt, weil, als das Flugzeug die Landung gemacht hat, hat er sich so weh getan, der Jesus Beuys. Deshalb hat er sich in Tölz gewickelt, damit es nicht weh tut.«
    »Ach, du meinst Filz«, sage ich. Aber Luis wird allmählich ungeduldig.
    »Nein, Tölz!«, brüllt er über die Musik hinweg. Manchmal spricht er mit der Milchflasche halb im Mund, quäkt so am Schnuller vorbei. Jetzt ist er kurz davor, mit der Pulle nach mir zu schmeißen.
    »Kuschelweiches Tölz!«, schreit er. »Tölzzzzz!«
    »Aber Tölz ist eine Stadt«, sage ich, des Jugendamtsbriefes eingedenk. Schön bei der Wahrheit bleiben! »Es heißt Bad Tölz. Wir fahren mal hin, dann zeige ich es dir.«
    Luis ist außer sich. »Töööölz!«, grölt er. »Jeeesusss Beuyyyys hat sich hiii-nein-gee-wiii-ckelt!«
    Wir sind am Kindergarten. Vielleicht schickt das Jugendamt mal einen Brief für Eltern, deren Kinder keine Fragen mehr haben, weil sie schon alles wissen?

Der Große Gesundheitsberater
    K aufen Sie sich nie ein medizinisches Lexikon! Sie werden sofort krank. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe diesen Fehler gemacht. In meiner Buchhandlung wurde zum sagenhaft günstigen Sonderpreis der Große Gesundheitsberater angeboten, ein dickleibiges Werk, in dem sämtliche Krankheiten, die Körper und Geist befallen können, verzeichnet sind.
    Ich konnte nicht widerstehen und griff zu, nicht ahnend, in welches Elend ich mich stürzen würde.
    Denn noch am selben Abend begann ich in dem Buch zu blättern, ziellos. Bereits beim flüchtigen Stöbern entdeckte ich so aberwitzige Erkrankungen, so entsetzliche Möglichkeiten des leiblichen Niedergangs, so unausdenkbare Realitäten des Körpers, dass jede Lebenslust von mir abfiel.
    Es war ein teuflisches Werk: Über welche Krankheit auch immer ich etwas las, sofort befielen mich ihre Symptome. Sie kamen aus den Buchseiten heraus und über mich. So schlug ich beispielsweise das Kapitel über Erkrankungen der Leber auf und entnahm ihm, eines der ersten Anzeichen dafür, dass die Leber nicht mehr richtig funktioniere, sei Müdigkeit: Mangels Nervenzellen könne sich das Organ nicht durch Schmerz ausdrücken, sondern nur, indem es uns ermüde. Müdigkeit sei der Schmerz der Leber.
    Man kann sich nicht vorstellen, welche Schläfrigkeit mich überfiel: Ich bin leberleidend, zweifellos. Morgens, mittags, abends – seit eh und je leide ich mehrmals am Tag unter einer Müdigkeit, die mit normaler Erschöpfung nicht zu erklären ist, allenfalls noch mit dem chronischen Müdigkeitssyndrom, das ich ebenfalls in meinem Nachschlagewerk entdeckte. Und wie ungerecht bin ich zeit meines Lebens behandelt worden! Schnarchte ich im Dienst als Soldat, brüllte mich ein Unteroffizier an, dämmerte ich in einer Konferenz hinweg, zog mich ein Vorgesetzter zur Rechenschaft, kam ich

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