Das Beste aus meinem Leben
sich ändern.
Und wenn nicht, schau ich’s mir halt alleine an.
Ich habe das Grauen gesehen!
F rühling hat begonnen, was? Da wird man ein bisschen hysterisch.
Ich fühle mich jetzt zu dick, unfrühlingshaft dick, bah. Winterfett.
Und jetzt habe ich vier Unterhosen gekauft, Größe sieben, beste Qualität, eine Marke, die ich bisher nie trug. Ich habe sie nicht anprobiert. Größe sieben hat immer gepasst.
Heute morgen habe ich eine dieser Unterhosen zum erstenmal getragen. Ich gehe also, nur damit bekleidet, den Flur entlang zum Bad, als hinter mir Paolas gellendes Gelächter ertönt.
»Was ist das denn?!«, kreischt sie.
Ich drehe mich um. »Was ist jetzt los?«
»Was hast du da an?«
Ich blicke an mir herunter. »Eine Unterhose.«
»Die ist ja viel zu groß!«, ruft sie.
Es handelt sich um eine Unterhose in Mediumlänge. Mit Bein. Kein Slip. Diese hier scheint groß auszufallen, ich bemerke es jetzt. Der Stoff schlabbert um Bein und Hintern, statt anzuliegen wie bei den anderen Unterhosen, die ich habe.
»Weißt du, wie du aussiehst?«, fragt Paola. »Von hinten siehst du aus wie ’n alter trauriger Elefant.«
»Aha«, sage ich beleidigt und verschwinde im Bad. Sie hat aber recht. Das Ding ist zu groß. Die anderen drei, die ich gekauft habe, damit wohl auch. Ich kann sie nicht mehr umtauschen, habe alle schon gewaschen. Das hat mir noch gefehlt: Ich bin zu dick, und meine Unterhosen sind zu groß. Ich sehe lächerlich aus im Spiegel.
Was soll ich machen? Die Unterhosen sind neu. Teuer. Ich bin zu sparsam, um sie wegzuwerfen. Soll ich warten, bis Luis hineinwächst? Soll ich Zirkuszelte daraus bauen für seine lustigen Plastikelefanten und die Playmobil-Figuren?
Paola kommt ins Bad. »Wenigstens kannst du mich nicht betrügen«, sagt sie. »In diesen Unterhosen kannst du mich niemals betrügen. Da lacht sich jede Frau bloß kaputt.«
Anscheinend habe ich mir einen Keuschheitsgürtel gekauft, denke ich. Vier Keuschheitsgürtel. Vier teure, haltbare Keuschheitsgürtel.
Ich gehe aus dem Bad. Ziehe mich an. Grauer Anzug, weißes Hemd. In einer Schrankecke hängen ein paar Sachen von früher, die ich nicht mehr trage, aber auch nicht wegwarf, Sachen aus Zeiten, in denen ich Paola noch nicht kannte. Ein kariertes Tweedsakko aus einer längst vergangenen Zeit, in der ich karierte Tweedsakkos trug – »deine Landlord-Phase«, sagt Paola. Eine Cordhose aus einer längst vergangenen Zeit, in der ich Cordhosen trug – »deine Wellblechhosen-Phase«, sagt Paola. Hinten eine Box mit Fliegen aus einer Zeit, in der ich Fliegen trug – »deine lächerlichste Phase«, sagt Paola.
Sie hat recht. Es war lächerlich.
»Ich könnte mich scheiden lassen, wenn ich daran denke, dass du Fliegen getragen hast«, sagt sie.
»Aber damals hast du mich noch gar nicht gekannt«, sage ich.
»Trotzdem«, sagt sie.
Hat nun hat die Trauriger-alter-Fettelefant-Phase begonnen? Die letzte Phase? Die allerlächerlichste?
Ich sitze jetzt im Büro. Das Telefon klingelt. Paola. Sie steht anscheinend auf der Straße, mit Handy. Und schreit: »Ich war gerade im Laden. Ich wollte ein Kleid kaufen. Ich habe mich im Spiegel gesehen, in der Kabine. Ich bin waaaahnsinnig hässlich! Und fett.« Sie wird noch lauter. Sie steht tatsächlich irgendwo auf der Straße und schreit, sie sei hässlich und fett. »Ich habe das Grauen gesehen!«, schreit sie. »Wie konntest du mich so fett werden lassen?!«
»Das macht doch nichts«, sage ich. »Der Trend geht jetzt zu molligen Frauen, habe ich gelesen.«
Sie stöhnt auf. »Und jetzt ist auch noch der Akku leer…« Plötzliche Ruhe.
Frühling hat begonnen, was? Ruhig bleiben, Leute, ganz ruhig bleiben.
Jesus Beuys
Ü brigens bekommen wir seit Jahren Post vom Jugendamt, gedruckte Rundschreiben, in denen Erziehungsprobleme abgehandelt werden. Seit Luis’ Geburt geht das so, alle halbe Jahr ein Text, passend zum Alter.
Neulich kam der Brief für Eltern von Dreieinhalbjährigen zum Thema »Löcher in den Bauch fragen«. Von »kleinen Fragegeistern« war die Rede, welche immerzu etwas wissen wollen: Warum das Licht brennt. Warum eine Flamme am Gasherd zu sehen ist.
»Eines ist dabei besonders wichtig«, schreibt das Jugendamt. »Unsere Antworten müssen richtig und wahr sein. Dass im Gasherd ein Feuerteufelchen sitzt und die Flamme macht, wäre beispielsweise keine sachgerechte Antwort.«
Jeden Morgen bringe ich den Luis mit dem Auto zum Kindergarten. Eine Viertelstunde lang bin ich für
Weitere Kostenlose Bücher