Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
Vom Netzwerk:
bisschen überrascht ist. Ich bin in meinen Gedanken schon so oft vom Himmel gefallen, mir ist nichts mehr fremd.
    Ein schreckliches Leben, denken Sie? Es gibt eine gewisse Entschädigung. Das ist der Moment, in dem ich nach der Landung der Maschine entsteige. Kann sich jemand dieses unfassbare Glücksgefühl vorstellen? Nicht abgestürzt! Ich lande nicht bloß, ich komme nicht einfach an – ich auferstehe! Das ist so wunderbar, das ist so unglaublich schön, und es hält so lange an, bis … bis ich halt zurück muss.

Der Wörterhändler
    I mmer wieder fragt man mich, wie ich zum Guru wurde, zu einem der Großen des Wörterhandels. Es ist ja nicht so, dass ich von dem leben muss, was man mir hier fürs Bücherschreiben bezahlt, Gott sei Dank. Es ist mein Hobby, ich kann’s mir leisten. Richtig reich bin ich durch Spekulation geworden, Verkauf von Wörtern, steuerfrei übrigens.
    Das Geschäft mit Wörtern blüht ja im Versteckten. Jeder liest Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Prospekte – aber vom Wörterhandel, der dahinter steht, wissen nur wenige. Jeder hat seinen kleinen Wortschatz zu Hause, mit dem er in den Schulen vom Staat kostenfrei ausgerüstet wird. Aber welches Business sich da verbirgt, welche Infrastruktur von Wörterfabriken, Wörtergrossisten, Wörterlastern, Wörterzügen, Wörterschiffen, Wörterbörsen, diese ganze Wörterwirtschaft, wer weiß das schon? dass die Leute, die Wörter drucken, jedes einzelne bezahlen müssen – unbekannt! dass es von jedem Wort ein Originalwort gibt, von dem ein Abzug gemacht werden muss, so wie es nur eine »Mona Lisa«, aber Millionen Reproduktionen gibt – unbekannt! dass hier Typen wie ich einen Riesenschnitt machen – unbekannt!
    Was ist Ihr Geheimnis, fragen mich die Leute. Ich sage: Es ist mein Gefühl für die Zukunft von Wörtern. Außerdem sage ich: Man muss billig einkaufen und teuer verkaufen.
    Ein Beispiel. Eines Tages kam ein junger Mann mit Nickelbrille und langen Haaren zu mir, so wie sie immer zu mir kommen, abgebrannt und mittellos, mit ein paar Wörtern in der Tasche. Er hatte nur eines dabei, ein kleines aus Blei: »Betroffenheit«.
    »Was für ein Scheißwort!«, sagte ich. »Ich kaufe es nicht.« (In Wirklichkeit hatte ich dieses Zittern im Daumen, das ich immer bei großen Geschäften kriege, so ein kleines, geldgeiles Zittern, wie ich es auch hatte, als mir – vor langer, langer Zeit – das Original von »Elchtest« angeboten wurde.) Der Typ war abgebrannt, er wollte das Wort unbedingt loskriegen. Schließlich gab ich ihm ein paar Mark.
    Was soll ich sagen? Mit »Betroffenheit« habe ich meine erste Million gemacht. Ich baute eine Fabrik dafür in der Toskana, eine schöne kleine Betroffenheitsfabrik, zog Kopie um Kopie, gründete eine eigene Betroffenheitsspedition nur zur Lieferung dieses einen Wortes und brachte es unter die Leute. Herrje, das lief! Die Grüne Partei kaufte auf Kredit, weil sie die Mengen, die sie brauchte, gar nicht zahlen konnte. Aber man sieht eben auch: Das ist ein schmutziges Geschäft. »Betroffenheit« ist ein Scheißwort, ich hatte damals recht und werde immer recht haben. Heute nehmen meine Leute das Ding vom Markt, weil ich es so hasse, zu Mini-Preisen. Die Fabrik ist geschlossen.
    Ich kann mir jetzt Wohltätigkeit leisten. Brauche ich eine dritte Jacht im Mittelmeer? Nein. Vor Jahren stand Handke bei mir vor der Tür, hatte einen Riesenwälzer geschrieben und brauchte für den Titel das Wort »Niemandsbucht«. Ich hatte es zehn Jahre zuvor auf einem Flohmarkt in Schwabing gekauft und wollte es nicht hergeben. »Nennen Sie Ihre Schwarte ›Die Angst des Tormanns beim Elfmeter zwei‹ oder ›Die rechtshändige Frau‹«, sagte ich. Handke greinte und flehte – da schenkte ich es ihm. Wenn man Kohle hat wie ich, muss man was für die Literaturförderung tun.
    Wenn Sie wüssten, was an Originalen in meinen Wörterkellern lagert, von »Ambiente« bis »Zweisamkeit« – dagegen war Leo Kirch mit den Filmen ein Ladenschwengel! Wieviel ich verdient habe an den tausend neuen Zeitschriften, an dem ganzen Geschwätz unserer Zeit! Schön, dass ich mir Hobbys leisten kann wie das hier, Spaß nach den harten Jahren. Das ganze Geschäft macht ja keine Freude mehr, wird bestimmt von den Engländern, und wenn erst die Chinesen einsteigen – das ist nicht mehr meine Welt. Ich kaufe nur noch schöne Sachen, neulich: »Kolossalzibömbel«. Es bedeutet nichts, einfach nur ein kleines Originalwort aus Blei, aber das kann

Weitere Kostenlose Bücher