Das Beste aus meinem Leben
irgendwo zu spät, bestrafte mich das Leben – mich, einen einfachen, unschuldigen Leberkranken.
Ich war kaum noch in der Lage weiterzulesen, tat es aber dennoch. Ich entdeckte folgendes: Geht man im Wald spazieren, entdeckt dort Himbeeren und nascht davon, kann man von einem Tierchen namens Fuchsbandwurm befallen werden. Dieses wiederum ruft eine Krankheit namens Echinokokkose hervor, welche sich zunächst durch Schmerzen im Oberbauch bemerkbar macht.
Seit Tagen war da ein leichter Druck zwischen Bauchnabel und Rippen … War ich nicht neulich im Wald? Hatte ich dort nicht wunderbare Waldhimbeeren gegessen? Ich erinnerte mich an die Lektüre des Buchs »Fräulein Smillas Gespür für Schnee«, in welchem von einem afrikanischen Körperwurm die Rede ist, der den Menschen aus dem Leib geholt wird, indem man ihn über Tage und Wochen aus einer Körperöffnung zieht und auf einen kleinen Holzstab wickelt. Ein Fuchsbandwurm in mir! Ich konnte spüren, wie er herumkroch, es kitzelte leicht im Fleisch, von innen, ein merkwürdiges, nie gehabtes Gefühl – aber kein schönes.
So ging es den ganzen Abend. Las ich über Magengeschwüre, bemerkte ich ein Reißen und Stechen im Bauch, las ich über Syphilis, wurde mir mein geistiger Verfall in den vergangenen Jahren klar, las ich vom Blinddarm, realisierte ich einen heftigen Schmerz auf der rechten Seite, in der Nähe der Blinddarmnarbe, die mir in Erinnerung rief, dass ich ja keinen Blinddarm mehr habe – die einzige Erleichterung in dieser Nacht.
Ich hab’s euch immer schon gesagt: Kauft keine Beratungsbücher. Sie rufen die Probleme, bei denen sie einem helfen sollen, offensichtlich erst hervor.
Als letztes entnahm ich meinem Medizinlexikon, dass man keine Schmerzen habe, wenn man Bauchspeicheldrüsenkrebs bekomme.
Ich hatte keine Schmerzen mehr. Das war das Ende!
Mach ma dodici
E iner der Gründe, warum Paola Paola heißt, ist: Einer ihrer Großväter war Italiener. Er lebte in einem kleinen ligurischen Dorf unweit des Meeres. Als Paola noch klein war, verbrachte sie dort oft ihre Ferien. Die Folge: Sie kennt, erstens, in dem Dorf fast jeden und sie spricht, zweitens, perfekt Italienisch.
Mein Großvater war Westfale. Er lebte in einem kleinen Dorf weit entfernt vom Meer. Als ich klein war, verbrachte ich dort oft meine Ferien. Die Folge: Ich kenne, erstens, in dem Dorf fast jeden und ich spreche, zweitens, fast kein Italienisch.
Jedes Jahr aber fahren wir mindestens einmal in das Dorf, in dem Paola als Kind so oft war. Das geht schon lange so und allmählich wird es peinlich, dass ich immer noch nicht Italienisch kann. Das heißt: Ich kann natürlich ein bisschen. Ich kann buon giorno sagen, ich kann einkaufen gehen, ich kann in einem Restaurant etwas zu essen bestellen, sogar sehr flüssig, so flüssig, dass der Kellner in der Regel denkt, ich könne Italienisch. Sobald er aber sehr flüssig eine Rückfrage stellt, bin ich verloren. Ich verstehe ihn nicht. Paola muss für mich antworten. Schlimmer ist es, wenn einer von Paolas zahlreichen Kindheitsfreunden sich mit mir auf Italienisch zu unterhalten versucht und ich mich daraufhin auch mit ihm auf Italienisch zu unterhalten versuche, mich vielleicht sogar in das Gefühl hineinsteigere, tatsächlich Italienisch zu können, bis ich an den ratlosen Blicken meines Gegenübers merke, dass sich mein Italienisch vielleicht für mich selbst wie Italienisch anhört. Dass es aber keineswegs Italienisch ist .
Einmal sprach mich in München ein Asiate an. Er schien etwas zu fragen, aber ich verstand ihn nicht. Was er sprach, klang wie Deutsch, doch es war kein Deutsch. Er sagte zum Beispiel:
»Wu Bleistick das Niechenstein sum?«
Oder: »Ham Kambug Luckmeien schingen?«
Ich sagte, ich verstünde ihn nicht. Er sagte: »Wu Kambug Niechenstein das sum?« Ich musste ihm wieder sagen, dass ich kein Wort verstünde. Er wurde wütend, stampfte mit dem Fuß auf und sagte: »Bleistick Luckmeien schingen das!«
Er war fest überzeugt, Deutsch zu sprechen. Er dachte, ich wolle ihm einfach nicht helfen.
Bruno, mein alter Freund, wollte in einem italienischen Supermarkt mal Tee kaufen. Er fand ihn aber nicht, den Tee, stand ratlos herum, bis ein Italiener ihn fragte, ob er ihm helfen könne. »Voglio tè«, ich will Tee, stammelte Bruno, aber er sprach es nicht richtig aus, und der Italiener verstand »voglio te«, ich will dich, und hätte ihn beinahe gehauen. Na, das nur nebenbei.
Meistens rumpele ich meine Wünsche auf
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