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Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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physischen Anstrengung hielt. Dann aber, als O. die Spitze seines Stuhlbaus erklomm und eine Weile dort verharrte, balancierend, in die Tiefe starrend wie in einen Orkus, dann aber erkannte ich in einer Sekunde, dass es die reine Angst war, die Orlando das Wasser auf die Stirn trieb. Ich sah, dass hier einer Nachmittag für Nachmittag Haut und Knochen riskierte.
    In der Pause verkaufte Orlando Popcorn.
    Was für eine Idee, die Jongliernummer an den Anfang zu stellen! Welche Spannung das erzeugte! Bei jedem folgenden Auftritt dachte ich: Kann er’s? Oder nicht?
    Ein großes Brett wurde aufgestellt, eine Frau erschien, stellte sich vor das Brett. Ich dachte: Er wird doch nicht Messer werfen?! Bitte, das wird er uns nicht antun?!
    Doch unser Mann erschien mit Messern in den Händen. Ich hielt mich bereit, um Luis die Augen zuhalten zu können. Es stellte sich heraus, dass Orlando unter allen Menschen, die ich kenne, der schlechteste Messerwerfer war, ausgenommen jene, die, aus gutem Grund, niemals mit Messern werfen. Er warf Messer, ohne je Messerwerfer geworden zu sein. Mit ruckartigen Bewegungen wich die Frau vor dem Brett den Würfen aus. Keine Messerwurfnummer, eine Messerwurfausweichnummer.
    Ob sie seine Frau ist?, dachte ich. Ob sie sich gestritten haben? Ich war schweißgebadet. Orlando trat noch als Clown und als Feuerschlucker auf, doch daran habe ich keine Erinnerung. Was für ein Leben!, dachte ich. Wenn ich Bücher nicht nur schreiben, sondern auch illustrieren, drucken, verkaufen, den Leuten abends vorlesen müsste!
    In Gedanken versunken verließ ich mit Paola und Luis den sehr kleinen Zirkus. Als wir den Omnibus bestiegen, der uns in die Stadt zurückbringen sollte, betrachtete ich kurz den Fahrer: ob er einen Mittelscheitel trüge, schwarze Haare, dünnen Schnäuzer, abwesendes Lächeln…

Wie man glücklich wird
    I ch hatte meinen freien Tag, saß in der Küche und las in der Zeitung, als Luis hereintrat und fragte:
    »Papa, was ist eigentlich Glück?«
    Glück, dachte ich – wie erklärt man einem Fünfjährigen, was Glück ist? Und Glück, dachte ich – weiß ich überhaupt selbst, was Glück ist? Welche Ahnung hat ein Jammerlappen wie ich, der sich leicht Tag für Tag in Klagen und Melancholie verliert, vom Glück? Was wäre Glück für mich in diesem Moment? Wenn ich noch zwei Stunden hier sitzen könnte und Zeitung lesen, unbehelligt vom Leben? Und was wäre Glück für ihn, den Kleinen – jetzt?
    »Ähm, also, Glück ist… weißt du…«, hob ich an, weil ich mich zu einer Antwort verpflichtet fühlte, »Glück also ist… Luis?! Wo bist du denn?«
    Er war aus der Tür gegangen. Er hatte die Frage gestellt und anschließend sofort den Raum verlassen, vielleicht im Gefühl, die Frage könnte für mich zu groß sein. Oder die Antwort für ihn zu hoch. Ich las wieder in meiner Zeitung, ohne weiter über Glück nachzudenken und etwas anderes zu empfinden als eine kleine Zufriedenheit. Da betrat Luis wieder das Zimmer. Er trug drei lange Leisten aus Holz und eine Plastiktüte mit kleinen und größeren Holzklötzen, die der Schreiner ihm geschenkt hatte, als er einen Einbauschrank installierte.
    Luis sagte: »Ich möchte eine Maschine bauen.«
    »Was für eine Maschine?«, fragte ich.
    »Eine Maschine eben«, sagte er. »Eine Maschine, die etwas kann.«
    »Und was?«, fragte ich.
    »Na, etwas eben, irgendetwas«, sagte er. »Hilfst du mir? Gibst du mir dein Werkzeug?«
    Ich dachte, wie gern ich noch eine Weile mit meiner Zeitung allein gewesen wäre, wie gern ich danach vielleicht einen Spaziergang gemacht hätte, dass ich vielleicht auch Freude an einem Buch gehabt hätte. Wie schön es wäre, Luis würde allein in seinem Zimmer spielen! Und: Ich bastele nicht gern und verstehe nichts von Maschinen. Teufel auch, ich hatte meinen freien Tag!
    Aber!!! Luis bastelt gern, und er versteht noch weniger von Maschinen, und ich konnte ihn ja nicht allein mit Hammer und Säge werkeln lassen. Ich dachte einen Augenblick nach, dann sagte ich:
    »Wir bauen eine Schranke.«
    »Was ist eine Schranke?«
    »Das gibt es bei der Eisenbahn, wenn sie über eine Straße fährt, damit die Autos stehenbleiben. Und an den Grenzen zu anderen Ländern.«
    »Ach so, eine Schranke«, sagte Luis. »Jaaa!«
    Dann holte ich den Werkzeugkasten und Nägel. Wir sägten ein Stange für die Schranke zurecht, so breit wie unser Flur, nagelten an das eine Ende einen Holzklotz, bauten ein Gestell mit Halterungen für das eine und das

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