Das Beste aus meinem Leben
andere Ende der Schranke und machten sie so daran fest, dass man sie auf- und zuklappen konnte. Dann holte Luis seinen Malkasten mit den Wasserfarben, und ich holte Wasser. Weil ich keine alte Zeitung fand, nahm ich die neue, die ich eigentlich noch lesen wollte, und breitete sie unter der Holzkonstruktion aus. Wir malten die Schranke weiß und rot an: Ich machte die weißen Streifen, Luis die roten, und den dicken Holzklotz am Ende machten wir gemeinsam schwarz. Dann nahmen wir ein Brettchen und nagelten es an die Schranke, als Schild.
»Was sollen wir auf das Schild schreiben?«, fragte ich. »Wir schreiben: ›Halt, hier muss man stehenbleiben, das ist eine Schranke!‹«, sagte Luis.
»Dafür ist das Schild viel zu klein«, sagte ich. »Wir schreiben einfach: ›Stop!‹«
»Gut«, sagte Luis. Ich schrieb: »Stop!« Wir waren fertig. In diesem Moment kam Paola vom Einkaufen. Sie blieb vor der Schranke stehen und fragte: »Was ist das denn?«
»Eine Schranke«, sagte Luis. »Siehst du doch.« Er klappte die Schranke auf, ließ Paola gehen, klappte die Schranke zu und sah dabei aus, als wäre er in der Zeit, als wir bastelten, zehn Zentimeter größer geworden.
Dabei war er bloß glücklich. Und ich auch.
Nur einfach mal wohnen wollen
E s ist Abend. Ich liege auf dem Sofa. Paola kommt herein.
»Liebling«, haucht sie, »duuuu…?«
Sie kniet sich neben das Sofa.
Ich weiß schon, was jetzt kommt, lege die Füße hoch auf ein dickes Kissen und schaue nach links gegen die Rückenlehne des Sofas.
»Schatzi«, flüstert sie, »ich würde so gern…«
Ihr Mund ist neben meinem Kopf, ihre Lippen berühren mein Ohrläppchen.
Nein, denke ich, nicht jetzt. Ich habe keine Lust. Nicht schon wieder.
Aber es muss sein. Sie will. Geht nicht anders.
»Hilfst du mir, die Möbel umzustellen«, säuselt sie.
In unserem Wohnzimmer befinden sich ein Sofa, eine Chaiselongue, ein Tischlein, zwei Sessel, eine Stehlampe, noch ein Tischlein, ein Sekretär und ein Teppich. Jedes Möbel hat schon an jeder Stelle im Wohnzimmer gestanden, so oft haben wir sie verrückt und umgestellt.
»O nein«, seufze ich, »das können wir doch morgen machen.«
»Nein«, sagt Paola, »ich will, dass wir es jetzt sofort machen. Ich kann dieses Wohnzimmer nicht mehr sehen. Ich ertrage es nicht. Das Sofa hier steht im Weg, wenn man zum Fenster will, und den Sekretär sieht man überhaupt nicht richtig, wenn man reinkommt, dabei ist er so schön.«
»Ich habe den ganzen Tag gearbeitet«, sage ich. »Ich will nicht Möbel rücken. Ich will jetzt wohnen.«
»Ich kann hier nicht mehr wohnen«, sagt sie. »Dieses Zimmer macht mich wahnsinnig. Ich hasse es. Ich mag es schon gar nicht mehr betreten. Es ist so un -gemütlich.«
Wenn sie un -gemütlich sagt, habe ich verloren. Noch ein Widerwort, und nicht nur das Wohnzimmer wird sehr un -gemütlich. Sondern auch Paola.
Aber es muss mal ein offenes Wort erlaubt sein. Für mich liegt der Sinn aller Dinge, die mich umgeben, weniger in ihrem Gebrauchswert als in ihrer Beständigkeit. Natürlich brauche ich eine Brotschneidemaschine, um Brot zu schneiden. Und eine Nachttischlampe, um nachts lesen zu können. Und einen Sekretär, um in seinem linken unteren Schublädchen Schlüssel aufzubewahren.
Das ist das eine.
Das andere ist: Ich brauche die Brotschneidemaschine und die Nachttischlampe und den Sekretär auch, weil sie Gegenstände sind. Gegenstände können nicht abhauen. Sie sind morgens, wo ich sie abends hingelegt habe. Sie befinden sich, wenn ich will, jahrelang am selben Platz. Wenn mein Blick in ihre Richtung geht, sind sie da. Das beruhigt mich. Gibt mir Halt. Macht mir Zuversicht. Ich glaube, das ist der tiefere, allen Gegenständen gemeinsame, über ihre banale Zweckmäßigkeit hinausreichende Sinn der Dinge.
Sie sollen mich beruhigen. Sie sollen das Nervöse in meinem Inneren beschwichtigen. Aber man muss sie dafür natürlich stehen lassen, wo sie sind. Darf sie nicht immerzu verrücken.
»Ich kann unmöglich auch nur noch einen einzigen Abend in einem so un -gemütlichen Wohnzimmer verbringen«, sagt Paola.
Sie ruht so sehr in sich, dass sie um sich herum Bewegung braucht. Deswegen hält sie selbst Sofas, Sessel und Sekretäre auf Trab.
»Aaaaaaah«, mache ich und stehe auf.
Wir schieben den Sekretär nach links, das Sofa nach rechts, die Chaiselongue an die Wand. Den Teppich ziehen wir hierher und dorthin. Paola stellt sich in die Ecke, stützt den Kopf in die rechte Hand, den
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