Das Beste aus meinem Leben
die Dusche, wo ich neulich mal geduscht habe. Diese Dusche, die draußen ist.«
Paola und ich grübeln eine Weile paddelnd vor uns hin. Dann fällt uns gleichzeitig ein, was er meint. Wenn man von unserer Bucht aus eine halbe Stunde nach links paddelt, kommt man zu einem kleinen Badestrand mit einer Wiese dahinter. Da steht eine Freiluftdusche. Vom Strand aus hat man einen herrlichen Blick auf den See. Auf die Berge dahinter. Auf eine Insel mitten im See. Auf dieser Insel gibt es eines der besten Wirtshäuser, die ich kenne, mit einem der schönsten Biergärten, die ich kenne.
»Aber Luis, wir wollten zur Insel hinüber paddeln und in das Wirtshaus gehen mit dem Biergarten«, sagt Paola.
»Dort wollten wir mittags essen«, sage ich.
»Aber ich will zu der Dusche.«
Wir paddeln und paddeln. Nach einer Viertelstunde halten wir an einem verfallenen Steg, machen das Boot fest und baden ein bisschen. Dann liegen wir im Boot in der Sonne und schlagen ein paar Bremsen tot. Von hier aus kann man die Insel schon sehen.
»Wann fahren wir zu der Dusche?«, fragt Luis.
»Was willst du denn da bloß?«, fragt Paola.
»Na, duschen. Das war so schön beim letzten Mal, als wir da waren.«
»Stell dir vor«, sage ich zu Luis, »die Insel da drüben ist Amerika. Und wir müssen mit unserem Boot über den großen gefährlichen Ozean fahren, um Amerika zu besuchen. Vielleicht begegnen wir einem Seeungeheuer. Das ist ein großes Abenteuer, das wir bestehen müssen.«
Das war jetzt ein Fehler, oh! Luis ist ein ängstliches Kind. Er versteckt sich schon hinter dem Sofa, wenn bei Biene Maja eine Wespe auftritt. Paola sieht mich an. »Idiot!«, sagt ihr Blick.
»Ich will aber nicht nach Amerika«, sagt Luis.
»Das war nur Spaß, was Papa gesagt hat«, sagt Paola. »In Amerika gibt es ein Eis für dich. Nach dem Essen.«
»Ich will aber zu der Dusche!«
Er will nicht in mein Amerika. Er ist gegen mein Amerika.
Wir paddeln weiter. Gerade lese ich, zum dritten oder vierten Mal, Hotel Savoy von Joseph Roth. Darin kommt ein Kroate namens Zwonimir vor, ein Kriegskamerad des Erzählers. Zwonimir liebt Amerika. Alles, was gut ist, nennt er Amerika. »Wenn eine Stellung schön ausgebaut war, sagte er: Amerika! Von einem feinen Oberleutnant sagte er: Amerika. Und weil ich gut schoss, nannte er meine Treffer: Amerika.« Auch kommen in dem Buch vor: Ein Friseur, der Christoph Kolumbus heißt, und ein Reicher namens Bloomfield. Der reist aus New York ins Hotel Savoy, um des Vaters Grab zu besuchen. Der Erzähler wird für kurze Zeit und hohes Honorar sein Sekretär.
»Amerika«, sagt Zwonimir dazu.
Das hat mit dieser Sache hier nichts zu tun, aber ich lese das Buch eben gerade. Mir geht alles durcheinander im Kopf, es ist heiß, ich habe Durst, und gern säße ich jetzt drüben in dem Biergarten auf der Insel. Wir paddeln am Seeufer entlang. Dies hier ist eine Gegend, welche von Amerikanern besucht wird, auch von Japanern und Holländern und Menschen aus Norddeutschland. Warum? Weil sie so schön ist. Weil es hier ein berühmtes Schloss gibt. Hohe Berge. Und Biergärten auf Inseln.
Wir aber besuchen eine Dusche.
Knirschend fährt das Kanu auf den Kies, wir ziehen es aufs Ufer, und Luis läuft zum Wasserhahn, dreht die Dusche auf und springt juchzend darunter umher.
Es ist mittags. Paola geht noch einmal schwimmen. Ich setze mich an den Strand und schaue auf den See, die Berge, die Insel. Von hier aus sehe ich das Wirtshaus nicht, aber ich spüre die Sehnsucht danach.
»Amerika«, seufze ich.
Von Opti- und Pessimisten
D ie Menschheit besteht aus Optimisten und Pessimisten. Aus solchen, die das Leben leicht, und solchen, die es schwer nehmen.
Und unsere Ehe besteht aus Paola und mir.
»Lass uns ins Kino gehen«, sagt Paola.
»Gibt eh keinen guten Film«, sage ich.
»Bestimmt gibt es einen guten Film«, sagt sie, schaut ins Kinoprogramm, sucht einen Film aus, ruft im Kino an, bestellt Karten. Dann fahren wir los, mit dem Auto.
Fünfhundert Meter vor dem Kino sehe ich einen Parkplatz, halte an, lege den Rückwärtsgang ein und…
»Was machst duuuu denn?«, fragt Paola.
»Parken«, sage ich.
»Das Kino ist erst da hinten«, sagt sie.
»Aber da hinten, wo das Kino ist, finden wir vielleicht keinen Parkplatz«, sage ich.
»Woher willst du das wissen?«, sagt sie. »Fahr erst mal hin!«
»Und dann ist da nichts, und dieser Parkplatz hier ist vielleicht auch weg«, sage ich.
»Entschuldigung, ich soll von hier zu Fuß bis zum
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