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Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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ihm was erzählen, mir von ihm was erzählen lassen… Wäre das nicht richtig? Müsste man die Zeit nicht nutzen? Sich näher sein, Vater und Sohn. Man sieht: Ich neige zum Grübeln, nahezu gewohnheitsmäßig.
    Wenn ich los fahre, will Luis Musik hören, und ich höre dann natürlich auch Musik. Wir schauen beide aus den Fenstern, ich biege links ab, dann rechts, dann fahre ich geradeaus, dann links, rechts und so weiter. Montags nimmt mir jemand die Vorfahrt, und ich hupe, dienstags versperrt ein Müllwagen die Straße, mittwochs ist es glatt, und ich fahre langsam, donnerstags halte ich an einer Ampel und sehe im Stehcafé eine Frau stehend Kaffee trinken. Sie schaut aus dem Fenster, nippt am Kaffee, schaut herunter, spielt mit den Lippen, schaut wieder aus dem Fenster, na ja, das ist ihr Ritual morgens, vielleicht. Freitags nehme ich jemandem die Vorfahrt, und er hupt.
    Möchte wissen, was Luis denkt, hinten im Sitz. Was er später sagen wird über die Morgenfahrten. Ob er sie gut fand. Oder blöd. Ob sie ihm Kraft gegeben haben für den Kindergarten. Ob er Luft holen konnte für die Anstrengungen dort. Ob er sich eingebettet gefühlt hat in irgendwas, in Vertrauen zu seinem Vater wenigstens.
    Dann gebe ich ihn im Kindergarten ab, gebe ihm einen Kuss und fahre wieder, ritualgestärkt, ach ja.

Die Christbaumkugel
    N un haben wir August. Weihnachten ist schon eine Weile her.
    Auf der Kommode im Flur liegt immer noch eine riesige lilafarbene Christbaumkugel. Paola hatte sie zur Weihnachtszeit über dem Spiegel im Flur aufgehängt, das sah sehr schön aus und war ziemlich praktisch. Der Spiegel ist gleich gegenüber der Wohnungstür, und wenn man vor Weihnachten herein kam, sah man als erstes diese riesige Christbaumkugel und wusste sofort: Aha, jetzt ist also Weihnachtszeit. Nur, falls man es vergessen hatte.
    Nach Weihnachten wurde die Kugel abgehängt und fürs erste auf die Kommode gelegt, damit sie in den Keller gebracht werden konnte. Aber sie ist immer noch dort. Und es ist keine Weihnachtszeit, beim besten Willen nicht.
    »Man müsste die Christbaumkugel in den Keller bringen«, sagt Paola ab und zu.
    »Jemand könnte mal die Christbaumkugel hier weg tun, in den Keller vielleicht«, sage ich dann und wann. Manchmal kommt es mir so vor, als ob in unserer Wohnung noch drei andere Personen lebten, außer Paola, Luis, mir und Bosch, meinem sehr alten Kühlschrank und Freund. Diese drei anderen Personen sind: Herr Man, Frau Jemand und Fräulein Einer. Um die Wahrheit über diese drei zu sagen: Sie sind stinkfaul. Sie beteiligen sich in keiner Weise am Gemeinschaftsleben. Sie tun überhaupt nichts.
    Ich sage: »Man müsste mal die Blumen auf dem Balkon gießen.« Aber Man tut es nicht.
    Paola sagt: »Jemand müsste mal deinen Tennisschläger beiseite räumen.« Aber Jemand ist nirgendwo in Sicht. Ich sage: »Einer müsste unbedingt das Altglas wegbringen.« Aber das Altglas bleibt da, nichts zu sehen von Einer.
    Der Fall der Christbaumkugel ist besonders schwierig. Es war, glaube ich, Anfang März, als Paola ihretwegen einen Wutanfall bekam. Sie schrie, diese Christbaumkugel müsse hier endlich weggeräumt werden, wenn sie nicht bald hier weggeräumt werde, dann werde sie das Ding aus dem Fenster werfen, sie könne es nicht mehr sehen. Man beachte nun hier die Formel »muss hier endlich weggeräumt werden«. Es handelt sich um das sogenannte Partnerschafts-Passiv, eine in Beziehungen sehr alltägliche Art zu sprechen, wenn es um Dinge geht, die unbedingt getan werden müssen, die man selbst aber um keinen Preis der Welt tun möchte.
    Es gibt ja so gewisse Dinge, die man einfach überhaupt nicht gerne tut, bei jedem ist es etwas anderes: Ich persönlich hasse das Bohren von Löchern (zum Bilderaufhängen oder Regalbefestigen) wie nichts auf der Welt. Paola verachtet das Blumengießen, als wäre es der Abschaum unter den Tätigkeiten. Wenn nun Löcher gebohrt oder Blumen gegossen werden müssen, man selbst es aber einerseits nicht tun möchte, andererseits aber auch aus internen Gründen nicht direkt den Partner dazu auffordern will (»Kannst du nicht hier endlich mal…?!«) – dann also verwendet man das Partnerschafts-Passiv. Es macht auf das Problem aufmerksam, provoziert nicht unbedingt Streit und lässt für die Lösung Spielräume, zum Beispiel die sanfte Antwort: »Wie wäre es, du würdest es tun…?«
    Mit der Christbaumkugel war es nun so, dass sich eines Tages mehrere Gegenstände angesammelt hatten,

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