Das Beste aus meinem Leben
die in den Keller gebracht werden mussten, darunter eine Reisetasche. Ich packte ungefähr im April in einem Anfall von Entschlusskraft alles in die Reisetasche, trug sie in den Keller und stellte die Tasche dort ab, samt Kugel.
Ein paar Wochen später musste Paola über das Wochenende verreisen. Sie holte sich aus dem Keller die Reisetasche und bemerkte erst in der Wohnung, dass die Christbaumkugel noch drin war.
»Die Reisetasche hätte im Keller ausgepackt werden müssen«, sagte Paola und legte die Christbaumkugel wieder auf die Kommode im Flur, wo sie sich, wie gesagt, immer noch befindet.
Wir haben ja nun schon August. Eigentlich lohnt es sich gar nicht mehr, die Kugel noch in den Keller zu bringen. Für die paar Monate. Weihnachten müsste sie ja doch nur wieder nach oben gebracht werden. Oder Jemand müsste sie holen. Oder Einer. Oder Man.
Bosch, mein weißer Bruder
D en ganzen Tag war ich nicht zum Zeitunglesen gekommen. Jetzt war es spät. Ich saß endlich in der Küche, trank Bier, blätterte.
»Ach nee«, sagte ich. »Hier steht: Wenn Männer sich miteinander unterhalten, komme unter den Themen an erster Stelle der Beruf, dann Fußball, dann Alkohol. Nie Sex, nie Beziehungsprobleme.«
»Und wir?«, sagte Bosch, mein sehr alter Kühlschrank und Freund. »Was reden wir?«
»Nichts von alledem«, sagte ich. »Oder wenig. Selten Beruf, nie Fußball, weil du davon nichts verstehst, wenig Alkohol. Nie Sex. Wie sollen wir über Sex reden? Du weißt doch gar nicht, was Sex ist!«
»Aber Beziehungsprobleme haben wir auch«, sagte er. »Ich fühle mich zum Beispiel ausgebeutet. Du benutzt mich. Ich arbeite für dich, kühle dein Bier, bin immer für dich da. Was tust du für mich?«
»Ich sitze hier und rede mit dir. Über das Leben. Über das Wesen der Technik. Über deine Zukunftsangst. Die meisten Männer reden nicht mit ihren Kühlschränken.«
»SIE REDEN NICHT MIT IHREN KÜHLSCHRÄNKEN?!«, schrie er. »DU LÜGST!«
»Kein Wort«, sagte ich.
Bosch schwieg. Ich nahm mir noch ein Bier. Er ächzte leise dabei. Dann sagte er: »Das ist ja seelische Grausamkeit.«
»Es ist widerlich«, sagte ich. »Aber die Kühlschränke sagen auch nichts.« Ich nahm einen tiefen Schluck.
»Männer sehen ja selten eine Freundschaft als Wert an sich. Sie benutzen andere Männer, um voranzukommen im Leben. Wenn man mit ihnen über etwas reden will, das ihnen nichts nützt, werden sie schweigsam.«
»Und du?«, sagte Bosch.
»Ich bin genauso«, sagte ich. »Ich rede zwar gern über Sex und Beziehungsprobleme. Aber nur, weil ich es verwenden kann. Es ist Material für mich.«
»Warum bist du mein Freund?«, fragte er.
»Du bist immer da«, sagte ich. »Mit dir muss ich keinen Termin machen. Du hast kein Telefon, das besetzt sein könnte. Bist interessiert. Hörst zu. Bist ein offener Mensch… äh… offener Typ. Und hast immer was Kaltes zu trinken. Bist ’n guter Freund. Wir sind ’n gutes Duo.« Er seufzte. Ich redete weiter. »Es ist schrecklich, wenn man einem Freund hinterherlaufen muss. Wenn er zu wenig Zeit hat. Sich nicht wirklich interessiert. Zum Beispiel Jerry Lewis…«
»Wer war Jerry Lewis?«, unterbrach mich Bosch.
»Schauspieler. Komiker«, sagte ich. »Er trat fast zehn Jahre lang zusammen mit Dean Martin…«
»Wer war Dean Martin?«
»Schauspieler. Sänger«, sagte ich. »Er trat fast zehn Jahre lang zusammen mit Jerry Lewis auf. Sie waren berühmt als Duo. Aber Lewis sah in Martin immer so etwas wie einen großen Bruder. Er sehnte sich nach tieferem Gefühl. Und Martin war die reine Oberfläche. Seine eigene Frau hat mal gesagt, er sei an Kommunikation nicht interessiert, nur kühl und unpersönlich. Er sei, sagte sie, entweder der komplizierteste Mensch oder der einfachste. Entweder sei unter der Oberfläche nichts – oder zu viel.« Ich machte eine Pause. »Ich vermute: nichts. Dean Martin sagte zu Lewis: ›Für mich bist du nichts als ein verdammtes Dollarzeichen.‹ Er war kalt innen.«
»Bin ich auch«, sagte Bosch.
»Frauen lieben das«, sagte ich. »Du hättest Chancen. Bisschen dick, sonst siehst du gut aus. Bist cool. Hast Charme. Eine angenehme Stimme. Und innen Eis. Das versuchen sie zu schmelzen, die Frauen. Wenn du ein Mann wärst…«
»Entschuldige bitte«, sagte Bosch, »ich bin ein Mann.«
»Na jaaa«, sagte ich.
»WAS HEISST HIER ›NA JAAA‹!?«, schrie er. »WAS SOLL DAS HEISSEN: ›NA JAAA‹!?«
»Na jaaa, entschuldige.«
Wir schwiegen beide, er zornig, ich
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