Das Beste aus meinem Leben
wahrscheinlich viel vom Feuerlöschen die Rede ist oder bei Polizistens oft vom Verbrecherfangen. Oder wie Bauern, die Milchkühe halten, wahrscheinlich viel von den Kühen sprechen. Ob eine von ihnen krank ist, zum Beispiel. Oder ob eine andere gerade ein Kalb erwartet. Oder ob sie alle zusammen gerade viel Milch oder wenig geben.
Das Problem ist nur, dass ein kleiner Junge sich unter dem Feuerlöschen, dem Verbrecherfangen oder dem Kühemelken einfach sehr viel mehr vorstellen kann als unter dem Schreiben. Das Schreiben ist so abstrakt und wenig sichtbar. Mühsam versucht Luis, sich klarzumachen, wie es funktioniert.
Manchmal hält er eines seiner Kinderbücher in die Höhe und fragt: »Hast du dieses Buch geschrieben?«
»Nein, Luis, das habe ich nicht geschrieben. Ich habe ein anderes Kinderbuch geschrieben, aber dieses nicht.«
Dann wieder hält er zum Beispiel einen Harry-Potter-Band in die Höhe und fragt: »Warum schreibst du nicht dieses Buch hier?«
»Weil es schon jemand anders geschrieben hat, Luis. Wenn man etwas schreiben will, muss es etwas Neues sein. Man kann nicht einfach das schreiben, was jemand anders schon geschrieben hat.«
Neulich war es bei mir mit dem Schreiben ganz fürchterlich gewesen, den ganzen Tag war mir nichts eingefallen, ich hatte bloß herumgesessen und kein Wort getippt. Beim Abendessen hatte ich mich gehen lassen und gejammert und geklagt über meine Ideenlosigkeit und darüber, dass es in mein Büro schon hereinregne, so viele Löcher hätte ich in die Decke und die Wände gestarrt. Beim Frühstück hatte ich dann Paola noch weiter vorgeheult, wenn mir heute wieder nicht eine einzige Zeile einfalle, dann wisse ich nicht, was ich tun solle…
Dann brachte ich Luis wie immer im Auto zum Kindergarten. Wir schwiegen zuerst, ich dachte über meine Arbeit nach, und Luis dachte anscheinend auch über meine Arbeit nach. Denn plötzlich fragte er:
»Papa, kann man sich eigentlich seinen Beruf selbst aussuchen, wenn man groß ist?«
»Ja, klar, Luis, man kann selbst wählen, was man werden möchte.«
Pause. Kleines Schweigen.
Dann sagte Luis: »Und warum machst du dann nicht von Beruf etwas, das du wirklich gut kannst?«
Männer und Frauen
W ir saßen beim Frühstück. Paola las den Reiseteil der Zeitung, denn sie verreist gern. Ich las den Lokalteil, denn ich verreise nicht gern. Wenn wir beide beim Frühstück lesen, kommt immer der Moment, in dem Paola einen Satz mit »Hier steht…« beginnt.
»Hier steht«, sagte Paola, »die meisten Menschen glaubten, Männer hätten ein besseres Orientierungsvermögen als Frauen. Das stimme aber nicht. Frauen fänden sich in fremden Städten so gut zurecht wie Männer.«
»Mit einer Ausnahme«, sagte ich.
»Welche?«, fragte Paola.
»Du«, sagte ich.
»Du bist unverschämt«, sagte Paola. »Außerdem sind wir nie in fremden Städten. Wir fahren ja nie weg. Paul und Ingrid sind gerade in Paris. Bruno und Marion fahren nächste Woche nach New York.«
»Wir waren in Rom«, murmelte ich.
Gleich würde sie sagen, das sei lange her. Ich wusste es. »Das ist lange her«, sagte sie. »War es nicht diese Reise, bei der du abends zu Fuß zu einem Lokal gehen wolltest, weil es gar nicht weit sei und sicher ein schöner Spaziergang dorthin? Dann mussten wir an einer Schnellstraße entlangwandern und durch einen Tunnel und im Dunkeln durch ein scheußliches Viertel, du mit dem Stadtplan vorneweg, fast eine Stunde lang?«
»Aber das Lokal war es wert«, wandte ich ein.
»Hier steht«, sagte Paola, »Frauen fragten viel eher nach dem Weg als Männer, weil sie die in solchen Gesprächen entstehenden Kontakte positiv bewerteten. Männer sähen sich hingegen in der Rolle des Unterlegenen, wenn sie nach dem Weg fragten. Deshalb fragten sie nicht.«
Sie machte einen Moment Pause, dann fügte sie hinzu: »Wenn wir in Rom mal jemand nach dem Lokal gefragt hätten, hätte er uns gesagt, es sei zu weit und kein schöner Weg, und wir sollten ein Taxi nehmen. Aber Männer würden nie im Leben zugeben, dass sie sich nicht mehr auskennen.«
»Männer, Männer«, schnaubte ich. »Was für ein Gerede über Männer! Ich bin ein schüchterner Mensch und quatsche nicht gern Leute an. Was zitierst du dauernd für eine Untersuchung?«
»Hier ist ein Artikel über eine Untersuchung der Universität Tübingen: Sie heißt ›Großstadtkompetenz. Orientierungswissen und Orientierungspraxis von Frauen aus dem städtischen und dem ländlichen
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