Das Beste aus meinem Leben
Schuhsohlen des Jungen vor mir klacken auf den Boden. Die Schweißtropfen des Dicken hinter mir klacken in sein Kunststoffhemd.
Was für ein schöner Brauch das Einwohnermelden ist. Man bekommt ein Gefühl dafür, was es bedeutet, Einwohner zu sein, einer von vielen, Teil einer Gemeinschaft. Der Raum: so kirchlich. Wir beten zum Nummernspender vor uns: Großer Klacker, klack für mich! Atmen im gleichen Rhythmus. Sie haben das Tempo wieder verlangsamt, für mich.
Zwölf Minuten für vier Nummern.
… und klack … und klack … und klack…
Natürlich könnte ich jetzt arbeiten, mit meinem Sohn spielen, meine Frau umarmen. Aber was ist das, verglichen mit der stillen, intensiven Vorbereitung aufs Einwohnermelden!
Paola hat gesagt, wenn man ein kleines Kind dabei habe, sei man nicht an das Nummernsystem gebunden, sondern werde gleich vorgelassen. Aber Luis ist bald sechs Jahre, zu alt. Man könnte vor der Tür einen Babyverleih aufmachen.
Aber warum?
… und klack … und klack … und klack…
Nummer 108.
Es hat was Buddhistisches. Statt Gong das Klack. Ich melditiere. Ommmmmm … und klack…
Bald werde ich hineingehen und sagen: »Halloooo… Wollte mich mal wieder melden.«
An der Amtskasse bekommt eine Frau einen Kreischanfall: Sie warte hier schon Stunden, werde anderswo gebraucht, undenkbar dies alles in der freien Wirtschaft, bloß hier, beim Staat…
Warum ist sie so laut? Will schlafen.
119 steht auf dem Kasten. Noch Zeit bis 129.
Chrrrrr…
Und klack!
130.
Ach.
Auf Wiedersehen. Melde mich bald mal wieder.
Deutschalienisch
W ir saßen in einer kleinen Trattoria in Rom, nicht weit vom Kolosseum, und studierten die deutsch-italienische Speisekarte. Ich machte mir Notizen für mein neues großes Projekt: den Entwurf einer deutsch-italienischen Gemeinschaftssprache. Ich denke, in zwei, drei Jahren werde ich zur Buchmesse ein erstes Nachschlagewerk herausbringen können, in zehn Jahren werden alle deutschen Touristen und alle italienischen Kellner die Sprache beherrschen, in zwanzig Jahren können Deutschland und Italien vereinigt werden. Was mit Österreich geschieht, das dabei im Weg herumliegt, wird man sehen.
Bereits heute gibt es Bücher einzelner Autoren, die in einer Art Deutschalienisch erscheinen, die Venedig-Krimis von Donna Leon zum Beispiel, in denen das deutsche Wort Gasse nicht mehr vorkommt, sondern immerzu durch calle ersetzt wird. »Er ging durch die calle zum campo , nahm sein telefonino in die Hand und sagte: » Pronto! « So muss man sich das vorstellen.
Noch weiter geht man bei der Herausgabe der Werke des Sizilianers Andrea Camilleri, sehr empfehlenswerte Literatur übrigens, welche streckenweise in einer deutsch-italienisch-sizilianischen Mischsprache gehalten ist. In Der Hund aus Terracotta liest man Sätze wie diesen: »Der Duft der triglie fritte , der aus der Osteria kam, gewann das Duell. Er aß ein antipasto speciale di frutti di mare , dann ließ er sich zwei spigole bringen…« Oder: »› Ma chi è stamattina stu scassamento di minchia? ‹ heulte drinnen Signora Carmilina, und Montalbano verschwand grußlos.«
Das kann von Deutschen kaum verstanden werden, erzeugt dafür aber viel Atmosphäre: Es wird einem sehr sizilianisch im Kopf. Das Deutschalienische, welches ich konzipiere, wird viel weiter gehen. Es wird komplett unverständlich sein, dafür molto funny .
»Was soll ich als Antipasto essen?«, fragte ich Paola. »Es gibt Pflanzlich Vorspeisen und Salm Vorspeisen , und dann gibt es noch Rösten Brot sicilian stil .«
»Das wird so etwas Ähnliches sein wie gestern abend«, antwortete sie. »Da gab es geroestete brotschein .«
Wir erinnerten uns eines Lokalbesuchs vor einem Jahr, das war in Florenz – da gab es die Speisekarte nur auf Italienisch. Als der Wirt mitbekam, dass Paola, deren Großvater Italiener war, beide Sprachen perfekt spricht, bat er sie, seine Karte zu übersetzen. Das dauerte eine Weile, sie gab sich Mühe. Als wir dieses Jahr wieder mal vorbeigingen, lasen wir auf der draußen aushängenden Karte von Gerichten wie Raw Schinken und zieghe ckeese, Franciert kalman sowie Orade See barsch einsalzen. Von Paolas Übersetzung hatte der Wirt kein Wort benutzt. »Was soll das?«, fragte sie entgeistert.
»Es ist Deutschalienisch«, sagte ich. »In einigen Jahren werden alle Speisekarten so aussehen.«
»Aber wie kommt man auf zieghe ckeese ?«, fragte sie.
»Das ist Engleutsch, aus Ziege und cheese «, sagte ich.
»Das Wörterbuch
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