Das Beste aus meinem Leben
Fahrstuhlführer sind. Das ist schade. Denn der Liftmann, schrieb Alfred Polgar, erscheine wie »ein bescheidenes Symbol für die Vergeblichkeit menschlichen Wollens und Nichtwollens«. Man könnte sagen: wie ein Sisyphos im Gehäuse. Kaum oben angekommen, wird er wieder nach unten gerufen.
Felix Krull arbeitete übrigens eine Weile in einem Pariser Hotel namens Saint James and Albany als Liftmann. »Es ist wirklich nichts leichter, als einen Lift zu bedienen. Man kann es beinahe sofort«, berichtete er.
Man bedenke dabei, dass die Liftmänner damals nicht einen Stockwerksknopf drückten, sondern Bremshebel bedienen mussten und den Fahrstuhl exakt an der Stockwerksfußbodenkante zum Stehen zu bringen hatten. Dann halfen sie den Damen über die Stufe und vielleicht noch weiter. Unvergesslich jene Szene, in welcher eine Madame Houpflé den Liftboy Krull bat, ihr noch die Koffer aufs Zimmer zu tragen. Dann forderte sie ihn auf, ihr aus dem seidengefütterten Pelz zu helfen. Kaum schickte er sich an, das zu tun, flüsterte sie: »Du entkleidest mich, kühner Knecht?« Später schlief er mit ihr. Sie nannte ihn einen »kleinen nackten Lifttreiber« und wollte geduzt werden (»Duze mich derb zu meiner Erniedrigung!«), auch geschlagen. Er schlug vor, ihren Schmuck zu stehlen und sie so zu erniedrigen.
»Was für eine hervorragende Erniedrigung!«, jubelte sie. »Ein Traum von einer Erniedrigung.«
Er ging, mit Schmuck. Wunderbares Buch. Wo waren wir?
Bei Fahrstuhlführern. Übrigens gibt es auch in Salingers Fänger im Roggen einen Liftmann, Maurice heißt er. Er schickt Holden Caulfield ein Mädchen names Sunny aufs Zimmer, später kommt er wieder, um Geld einzutreiben. Dabei verprügelt er Holden und erniedrigt ihn. »Ich sage niemandem, wohin er mich schlug, aber es tat höllisch weh«, sagt Holden.
Seltsam, dass im Zusammenhang mit Fahrstuhlführern immer von Erniedrigungen die Rede ist.
Ach, in so vielen Büchern gibt es Fahrstuhlführer, bloß in Wirklichkeit nicht. Also stehe ich allein im Bürofahrstuhl, allein mit einer Aufwallung überwunden geglaubter Liftphobie, hervorgerufen durch die Aufforderung, unbesorgt zu sein. Ich hoffe, dass der Fahrstuhl aufwärts fährt, nicht abstürzt, dass er mich nicht in raschem Fall erniedrigt, sondern erhöht, bis in den zweiten Stock erhöht.
Bitte!
Ein Fahrstuhlführer würde mich beruhigen, wie Stewardessen einen beruhigen: Glauben Sie, ich würde jeden Tag fliegen, wenn es gefährlich wäre?
Aber es gibt hier keine Stewardess und keinen Liftmann. Es gibt einen neuen Spiegel, darin sehe ich mein besorgtes Gesicht.
Der neue Bademantel
E in trüber Tag, grau der Himmel, ab und an Regen, fein wie Staub. Den Vormittag hatte ich vor dem Computer gesessen, gegrübelt, ein oder zwei Sätze geschrieben, wieder gelöscht, weiter gegrübelt, getippt, gelöscht… »Es hat keinen Sinn«, dachte ich gegen zwei Uhr, »heute hat es keinen Sinn.« Ich beschloss, in die Stadt zu gehen, einen neuen Bademantel zu kaufen. Ich brauchte dringend einen neuen und außerdem einen Trost, an diesem Tag.
Ich betrat ein Kleiderkaufhaus. Hatte zwischen Frottee und Flausch zu stöbern begonnen, als neben mir ein Ehepaar stand. Er: ein freundlich lächelnder Weißhaariger mit Goldrandbrille, Hörgerät hinterm rechten Ohr. Sie: Kurzhaarfrisur, viele Fältchen, heller, schlichter Mantel. Zwei nette ältere Leute. Über dem linken Arm der Frau hing ein Bademantel. Ein weißer Spitz trippelte herum.
»Entschuldigung«, sagte sie, »können Sie uns helfen?«
»Aber ich bin kein Verkäufer. Ich kaufe selbst ein.«
»Wir suchen einen Bademantel für unseren Sohn, ein Geschenk. Uwe ist so groß wie Sie, sicher jünger…«, sagte sie.
»Er wird nächste Woche 50«, rief der Mann.
»Ich bin 45«, sagte ich leise.
»Wie bitte?«, rief er, eine Hand am rechten Ohr.
»Ich bin erst 45!«, rief ich.
Er nickte lächelnd.
»Könnten Sie diesen Bademantel hier anprobieren?«, sagte die Frau und zeigte auf den Mantel auf ihrem Arm. »Wenn er Ihnen passt, passt er Uwe sicher auch.«
»Gerne«, antwortete ich, nahm den Mantel, schlüpfte hinein. Er war lila, mit grün-gelben Blüten.
»Könnten Sie hin und her gehen?«, sagte sie.
Ich ging hin und her, wie auf dem Laufsteg. »Der Mantel ist mir zu klein«, sagte ich.
»Ja«, sagte sie, »aber Uwe ist nicht so dick wie Sie.«
»Wie bitte?«, sagte ich.
»Was sagtest du?«, rief ihr Mann.
»Dass Uwe nicht so dick ist!«, rief sie.
»Stimmt!«,
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