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Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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Ich öffnete das Los. Leider nicht. Leidernicht. Leidernie. Immerleidernie.
    Ich nahm eine Schere und schnitt die Worte »Leider nicht« aus. Nahm den Brief des Lotterieeinnehmers, öffnete den Umschlag mit dem persönlichen Sicherungs-Siegel, verglich die Zahl auf dem Siegel mit der Zahl auf der Privileg-Karte, stellte deren Übereinstimmung fest, klebte aber nicht das Siegel auf die Privileg-Karte, sondern – mit etwas Uhu – die Worte »Leider nicht«. Nahm das Gewinn-Zertifikat zur Hand, steckte die Privileg-Karte in die Folientasche, schloss den Umschlag, ging hinunter, warf ihn in den Briefkasten.
    Dann stieg ich hinauf und begann zu arbeiten.

Ein Mann ohne Geruch
    P röbchen hier, lauter Pröbchen. Gelkissen mit Body Lotion. Tübchen mit Anti-Shine-Moisturizing-Fluid. Ampullen mit Eau de Toilette. Taschenweise bringe ich sie aus den Parfümerien nach Hause, überreicht von gut geschminkten Damen, sprühe mir da etwas auf die Hand, dort etwas auf den Arm, reibe hier ein bisschen ins Gesicht, schnüffele, grübele, lasse Paola riechen…
    »Nein«, sagt sie.
    »Nein?«, frage ich.
    »Nein«, sagt sie.
    »Hmmm«, sage ich, entkorke das nächste Fläschlein, sprühe, reibe, rieche, lasse riechen.
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Hmmm.«
    Ich habe meinen Geruch verloren, das ist das Problem. Fünfzehn Jahre lang habe ich das gleiche After-Shave benutzt, eine achteckige Flasche mit zylinderförmigem Schraubverschluss, ein After-Shave, wie für mich gemacht. Ich will nicht übertreiben, jeder konnte sehen, wie die Frauen die Nüstern blähten, wenn ich vorbeiging, und ihr leichtes Schnüffeln hörte man auch. Ach ja.
    Nun ist die Produktion eingestellt worden. Ich ging eines Tages in eine Parfümerie, verlangte die gewohnte Flasche – es gab sie nicht mehr.
    »Überhaupt nicht mehr?«, fragte ich.
    »Überhaupt nicht mehr.«
    »Aber das geht nicht«, sagte ich, »man kann nicht einem Mann seinen Geruch nehmen!«
    Leider, sagte man, es gehe wohl doch. Vielleicht, dass irgendwo ein Restbestand…
    Ich wanderte durch die City, eine Parfümerie nach der anderen betretend – nichts. In der Innenstadt habe es keinen Sinn, sagte jemand, zu viele seien schon vor mir da gewesen, vielleicht in den Randbezirken. Ich fuhr in äußere Stadtteile, besuchte winzige Drogerien, deren Besitzer nie von meiner Duftmarke gehört hatten, in Vitrinen zwischen Pitralon und Tabac herumkramten, ratlos Kollegen anriefen, auf Leitern stiegen, Kartons mit Mottenkugeln aufrissen, ob nicht vielleicht dort … Nichts.
    Und überall bekam ich Proben. Paola las von den Packungen vor: Kopfnote Bergamotte, Neroli, Hedion und Sternanis, Herznote Hornkorallen-Effekt, Salbei, Rose, Pfeffer, Koriander, Seetang…
    »Seetang«, wiederholte Paola.
    »Seetang?«, fragte ich.
    »Seetang«, sagte sie.
    »Nein«, sagte ich.
    »Du hast gut gerochen«, sagte sie, »es passte so zu dir.« Ich seufzte. Rief Geschäfte in fremden Städten an, beauftragte Verwandte in kleinen, fernen Bundesländern. Nichts, nur weitere Proben, darauf Texte wie: »Ein kontrastreicher Begleiter für den Tag eines Mannes… Frische, kristallklare Noten des Morgens… Intensität von frisch geröstetem Kaffee-Aroma … Kraftvoll-holzige Noten…«
    »Kaffee-Aroma«, wiederholte Paola.
    »Kaffee-Aroma?«, fragte ich mit kraftvoll-holziger Stimme.
    »Kaffee-Aroma«, sagte sie.
    »Ich bin nicht der Tchibo-Onkel«, sagte ich.
    »Ich werde ein Mann ohne Geruch sein«, sagte ich. Gibt es kein Gesetz, das dies verbietet? Fünfzehn Jahre, ausgelöscht.
    Ich lief durch die Straßen wie Jean-Baptiste Grenouille in Süskinds Parfüm , suchend, schnobernd, Passanten hinterherschnüffelnd. Vielleicht, dachte ich, gäbe es noch Leute mit Vorräten, jemand, dem ich ein Fläschchen abkaufen könnte, einen Vorrat für zwei Monate oder für wichtige Anlässe. »Entschuldigen Sie«, würde ich flüstern, »Sie riechen, wie ich einst roch… Haben Sie noch? Ich zahle gut.«
    Und wenn er »Nein« sagt? Ihn töten, wie Grenouille das Mädchen in Paris tötete, dessen Duft ihn schier wahnsinnig machte? »Er roch sie ab vom Kopf bis an die Zehen, er sammelte die letzten Reste ihres Dufts am Kinn, am Nabel und in den Falten ihrer Armbeuge. Als er sie welkgerochen hatte, blieb er noch ein Weilchen neben ihr hocken, um sich zu sammeln, denn er war übervoll von ihr.«
    Vielleicht. Ich bin gefährlich geworden. Ich garantiere für nichts mehr. Ich will meinen Geruch wiederhaben.

Können Kühlschränke

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