Das Beste aus meinem Leben
träumen?
E s war zwischen zwei und drei in der Nacht, als ich im Pyjama in die Küche wankte, mir ein Bier nahm, ein paar Schlucke trank und mich auf einen Stuhl fallen ließ.
»Was ’n los?«, fragte Bosch, mein sehr alter Kühlschrank und Freund.
»Schlechten Traum gehabt«, sagte ich. »Nicht mal ’n richtig großen, schweren Alptraum, bloß so einen kleinen miesen Dooftraum.«
»Erzähl!«
»Bloß nicht auch noch drüber reden.«
Wir schwiegen eine Weile. Dann sagte ich in die Stille hinein: »Träumst du eigentlich auch?«
Er antwortete nicht. Ich wiederholte, ein bisschen lauter: »Träumst du eigentlich auch?«
Er war eingeschlafen und von der zweiten Frage aufgewacht. »Was?«, murmelte er.
Ich wiederholte die Frage.
»Klar träume ich auch«, sagte er. »In meinen Alpträumen träume ich, dass plötzlich die ganze Welt so kalt wird, dass man keine Kühlschränke mehr braucht, oder ich träume von fliegenden Mikrowellen mit offenen Klappen, die Löcher in meine Tür hineinbrennen, oder von sirrenden Pürierstäben, die auf mich abgeschossen werden wie brennende Pfeile, oder von Elektroherden mit Polizeimützen, die mich mit glühenden Kochplatten bestempeln, oder vom Entsorgtwerden. Sehr oft träume ich vom Entsorgtwerden, vom Verrotten im Schlamm einer Sperrmüllkippe…«
Er schwieg einen Moment, dann wollte er etwas fragen, aber ich ahnte natürlich, was er fragen wollte, nahm einen Schluck Bier und sagte: »Niemals entsorge ich dich, Mann, dieses Bier ist von so unvergleichlicher Kühle, das macht dir keiner von den Neuen nach, ehrlich.«
Er seufzte erleichtert.
»Und wenn du schöne Träume hast?«, fragte ich. »Was träumst du dann?«
»Da träume ich, kein Kabel zu haben und gehen zu können, oder ich träume von einer Kühltruhe, die ich mal gekannt habe, als ich noch sehr jung war, oder dass ich Weltmeister im Riesenslalom werde, oder dass ich in einem Meer von Eiswürfeln schwimme, oder dass ich über der Antarktis fliege wie ein Albatros, und alle Pinguine brechen in ein gewaltiges ›Hurra!‹ aus.«
»Super!«, sagte ich. »Ein Supersupersupertraum.«
Wir schwiegen wieder eine Weile, dann sagte Bosch plötzlich: »Hast du schon mal von mir geträumt?«
»Noch nie, Gott sei Dank.«
»Wieso ›Gott sei Dank‹?«
»Weil ich im Buchladen neulich ein Lexikon der Traumdeutung in der Hand hatte. Darin stand, der Kühlschrank als Traumsymbol stehe für das Wegstecken von Triebkräften, für Verdrängung, Gefühlskälte und Distanz. Und für Egoismus.«
»Gemein!«, sagte er. »Was stand da über die anderen Geräte?«
»Warte…«, sagte ich, »über die Geschirrspülmaschine las ich, sie habe von allen Küchengeräten die männlichste Ausprägung, weil sie in einer Zeit erfunden worden sei, als Frauen von Männern die Mitarbeit im Haushalt forderten. Und der Herd sei schon bei Freud das Symbol der Frau und des weiblichen Körpers gewesen.«
»Quatsch!«, zischte er. »Der Herd ist ein Idiot! Immer und immer habe ich dir gesagt, dass der Herd ein Idiot ist, sonst nichts!« (Er hasst den Herd wie nichts, muss man wissen.) »Weiblicher Körper!«, höhnte er. »Lächerlich.«
»Und wenn du träumst«, sagte ich, ihn unterbrechend, »brennt dann das Licht in deinem Innern oder nicht?«
»Oh Mann!«, stöhnte er. »Wie oft hast du mich das schon gefragt? Schon als du ein kleines Kind warst und ich noch bei deinen Eltern stand, hast du es mich gefragt. Ich sag’s dir nicht. Es geht dich nichts an. Alles sage ich dir, das nicht. Es ist ein Geheimnis. Auch eine Maschine wie ich braucht ein Geheimnis. Das weißt du.«
»In der Zeitung stand, zwei amerikanische Buben hätten aus Lego einen Roboter gebaut, der beweisen kann, dass das Licht im Kühlschrank ausgehe, wenn die Tür zu sei. Ich könnte mir diesen Roboter ja besorgen.«
»Stell ihn nur in mich rein«, sagte Bosch leise. »Ich mach’ ihn kalt.«
Doktor Leibtrost
W er umzieht, bekommt oft eine neue Telefonnummer. Aber jene, die ich vor vier Jahren bekam, als ich mein neues Büro bezog, war nicht neu. Sie war gebraucht und hatte einem Arzt gehört, den ich nicht kenne, dessen Namen ich nicht im Telefonbuch finde, der vielleicht verstorben oder nur unbekannt verzogen ist. Bis heute rufen Patienten an: alte, gebrechliche Menschen, schwerhörig. Ich führe Gespräche wie dieses. Telefon klingelt.
Ich: »Hacke.«
Anrufer: »Hallo?«
Ich: »Ja, hier ist Hacke.«
Anrufer: »Is’ da net der Doktor Leibtrost?«
Ich: »Nein,
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