Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
Ich weiß doch, wie sehr du dir eine Familie wünschst.«
»Aber Julia … genau deswegen heirate ich dich ja. Damit wir eine Familie sind, du und ich. Wir sind die Familie.«
Ich rückte ein Stück von ihm ab und sah ihn an. »Du willst mich doch nur trösten«, sagte ich vorsichtig. »Jetzt, wo wir beide noch jung und zuversichtlich sind, sagt sich so etwas leicht. Aber denk bitte noch einmal darüber nach, bevor du etwas sagst, was du später vielleicht bereust. Du willst Kinder. Das weiß ich.«
Wes nahm seine Brille ab und wischte sich über die Augen. Er schwieg eine ganze Weile, und meine Brust zog sich schmerzlich zusammen. »Julia«, sagte er schließlich und umfasste meine Hände. »Ich bin sicher, dass die Fehlgeburt eine einmalige Sache war. Und selbst wenn es anders wäre, werden wir Kinder haben. Das ist nicht nur so ein Gefühl – was mich angeht, ist das eine Tatsache. Es gibt viele Möglichkeiten, Eltern zu werden. Denk an Karen und Fo … oder Rick und Monica. Das sind doch Bilderbuchfamilien, für mich zumindest sind sie nichts anderes als das. Es sind Familien, zu denen ich liebend gern gehören würde.«
Karen, die Technische Leiterin von Wes’ Firma, und ihr Mann Fo hatten eine Leihmutter engagiert und zogen nun ganz wunderbare Söhne mit süßen Ringellocken groß. Und Rick, Wes’ bester Freund aus Studienzeiten, und seine Frau Monica hatten ein Baby aus Südkorea adoptiert, ein pummeliges, immer fröhliches Mädchen. Ich hatte diese Konstellationen eher als Verlegenheitslösung betrachtet, als Ergebnis einer langen Reihe von Enttäuschungen und Tränen, medizinischen Eingriffen und langen Flugreisen, doch als ich Wes so reden hörte, wurde mir klar, dass sie Familien waren wie alle anderen auch – kompliziert, chaotisch und voller Liebe füreinander. Ich dachte an Annie und Lucia, die ich früher genauso als meine Familie betrachtet hatte wie meine eigenen Eltern. Ja, für ein Kind, das die Liebe und die Zuneigung, das offene Ohr und die Großzügigkeit eines Erwachsenen brauchte, spielte die Blutsverwandtschaft wirklich keine Rolle.
»Du wirst ein wunderbarer Vater sein«, sagte ich leise.
»Nur mit dir an meiner Seite«, antwortete Wes. Ich las in seinen Augen, dass er es ernst meinte, und da kam endlich der wild flatternde Vogel in meiner Brust zur Ruhe. Ich holte tief Luft. Durch die offene Tür hörten wir, wie die Gäste unserer Verlobungsparty den Countdown bis Mitternacht anstimmten.
»ZEHN! NEUN! ACHT!«
Wes und ich lächelten uns an. Er sprang auf und zog mich mit sich hinaus auf den Flur.
»VIER! DREI! ZWEI!«
Am oberen Ende der großen Treppe, mitten im Partylärm, schlang Wes seine Arme um mich und küsste mich erst auf das Schlüsselbein, dann auf den Hals, auf die Wange und schließlich auf den Mund, und so küssten wir uns aus dem alten Jahr ins neue hinüber.
Januar
25 – Annie
Als der erste Monat des neuen Jahres sich allmählich dem Ende zuneigte, saßen Julia und ich im Treat an der Theke und pulten die Förmchen von unseren Cupcakes, während wir unsere wöchentliche Geschäftsbesprechung abhielten. Die Veränderung, die Julia seit Silvester durchgemacht hatte, war unmöglich zu übersehen. Ihr Lächeln war breiter geworden, ihre Augen strahlten, ihre Schritte waren energischer. Die Aussprache mit Wes hatte ihr eindeutig gutgetan, und ich freute mich für sie, ja es machte mich stolz, dass sie es endlich geschafft hatte, sich von der Last dieses Geheimnisses zu befreien. Jetzt war sie so aufgekratzt, als wäre sie aus einem langen Schlaf erwacht, und redete in einer Tour über ihre Hochzeit und was dafür noch alles zu tun war. Für einen Single wie mich war das zwar eine Zumutung, aber ich ließ mir nichts anmerken. Sie verdiente es, glücklich zu sein – selbst wenn das in Julias Fall bedeutete, endlose Monologe über Orchideen, die Gestaltung der Einladungskarten oder individuell angefertigte Sonnenschirme zu führen. Tja, jedem das Seine.
»Meine Mutter war so versessen darauf, Lucias Backbuch zu finden, dass sie damit alle im Haus in den Wahnsinn getrieben hat«, erzählte Julia, nachdem sie ihren ersten Cupcake des Abends angeknabbert hatte. Ich sah sie an, und mein Herz setzte einen Moment lang aus. Julia lächelte verlegen. »Es ist zwar leider nicht aufgetaucht, aber dafür hat sie mir das hier für dich mitgegeben. Als Trostpflaster sozusagen.«
Sie holte eine schokobraune Schachtel mit einer pompösen weißen Seidenschleife aus ihrer Tasche.
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