Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
man sowieso nichts mehr tun, als das Ausmaß des Schadens abzuschätzen.
»Wie schlimm steht es denn um das Treat?«, fragte ich. »Hast du dich im Laden umschauen können?«
Ogden machte ein bekümmertes Gesicht und nahm wieder meine Hand. Was war nur mit ihm los? Ich blickte auf seine große Pranke und stellte fest, dass ich gar nichts dagegen hatte, ihren warmen Druck zu spüren. »Das Café sah ziemlich verwüstet aus«, sagte er. »Ich habe mir wirklich große Sorgen um dich gemacht.«
»Ach ja?«
Er nickte und zögerte dann. »Ich habe in letzter Zeit oft an dich gedacht«, sagte er.
»Wirklich?«, fragte ich langsam. Es machte mir irgendwie Spaß, ihn so zappeln zu lassen.
»Ja, ehrlich«, sagte er. »Ich habe darüber nachgedacht, dass wir vielleicht mehr gemeinsam haben, als du glaubst.«
»Inwiefern?«
»Wir verwöhnen andere gern mit gutem Essen. Das ist unser beider größtes Talent.«
»Wenn du dich da mal nicht irrst«, sagte ich und setzte mich ganz auf. »Ich habe nämlich auch noch Witz und Verstand zu bieten.«
Ogden grinste. »Das stimmt.« Er machte eine kleine Pause. Dann räusperte er sich geräuschvoll. »Aber ich glaube, am wohlsten fühlst du dich, wenn du in der Küche bist und nicht auf Biegen und Brechen versuchst … witzig zu sein. Mir geht es mit der Farm genauso.«
Mir lag der nächste spöttische Kommentar schon auf der Zunge, doch irgendetwas an Ogdens ernsthafter Miene hielt mich zurück. Stattdessen sah ich ihn lange an, ich sah ihn richtig an, und da wurde mir klar, dass der Funke der Leidenschaft, den ich in seinen Augen vermisst hatte, sehr wohl da war; er äußerte sich nur nicht in einem schelmischen Blitzen, sondern in dem ruhigen, intelligenten Blick eines Mannes, der genau wusste, was er im Leben liebte und warum. Ich konnte es nicht fassen, wie ich das so lange hatte übersehen können.
Und er hatte natürlich Recht. Ich dachte an meine kleine Küche im Treat, die jetzt schwarz vor Ruß sein musste, und schluckte. Wenn ich in dieser Küche stand, spürte ich meine Mutter an meiner Seite. Auch sie hatte am liebsten vor dem Herd in unserem einfachen Häuschen gestanden, lieber noch als in der schicken Küche der St. Clairs. Casita hatte sie unser kleines Zuhause immer liebevoll genannt. Nur dort schien sie vollkommen im Einklang mit sich und den Entscheidungen, die sie in ihrem Leben getroffen hatte. Mit der Zeit hatte ich herausgefunden, dass wenn ich eine Geschichte über ihre Kindheit oder ihre Familie hören wollte, ich mich am besten neben sie an den Herd stellte. Als ich an diese Momente trauter Zweisamkeit zurückdachte, kam mir plötzlich eine Idee, die zugleich beunruhigend und erstaunlich einfach war.
»Hey, bist du mit dem Auto da?«, fragte ich Ogden und schwang die Beine aus dem Bett.
Er nickte.
»Ich würde gern etwas erledigen, aber dafür brauche ich deine Hilfe. Kannst du mir helfen?« Ich fragte mich, ob er auch nur die leiseste Ahnung hatte, wie viel Überwindung mich diese Bitte kostete.
»Klar«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals so strahlen gesehen zu haben.
Als wir vor der Villa der St. Clairs parkten, war in keinem der Fenster Licht zu sehen. Ich tippte den alten Code am Eingangstor ein und hielt den Atem an, bis der Schließmechanismus klickte und das Tor aufschwang.
»Annie«, flüsterte Ogden und hastete hinter mir her, als ich durch den steinernen Bogen der Einfahrt hindurchging. »Was machen wir hier?«
Es war die erste Frage, die er mir stellte, seit wir das Krankenhaus verlassen hatten. Unterwegs war er ungewöhnlich schweigsam gewesen und hatte nur hin und wieder genickt, während ich ihn nach Pacific Heights lotste. Ich war ihm dankbar für diese Stille – nach den Ereignissen der Nacht war ich immer noch völlig durcheinander und schwankte zwischen Hoffnung und Angst, je näher wir der Villa kamen. Es war, als fürchtete ich mich vor dem, was ich dort finden könnte. Aber wollte ich nicht nach etwas suchen, das ich schon seit Jahren schmerzlich vermisste?
»Keine Sorge«, wisperte ich zurück, während wir die Treppe zum Eingang der Remise hinaufstiegen. »Es würde sie nicht stören, dass ich unser altes Haus betrete.« Ich bückte mich, schob die kleine Ente aus Stein beiseite und atmete erleichtert auf, als ich den Schlüssel aufblitzen sah. »Siehst du?«, sagte ich. Ogdens Miene gab mir zu verstehen, dass es ihn nicht unbedingt beruhigte, sich über einen
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