Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
Haut. Die Erkenntnis versetzte mir einen solchen Schock, dass ich auf einmal froh um die Sauerstoffmaske war. So hatte ich wenigstens einen guten Grund, nicht zu sprechen.
»Ich komme, um dich zu sehen, aber ich weiß nicht, ob du mich kennenlernen willst. Du bist ein guter Mensch. Du bist erfolgreich. Ich bin sehr stolz, und ich denke, vielleicht soll ich wieder wegfahren. Vielleicht soll ich dich in Ruhe lassen. Vielleicht«, sagte er traurig, »vielleicht hasst du mich. Ich kann das verstehen. Ich bin kein Vater für dich. Ich bin ein Fremder.
Aber ich bleibe bei dir und ich sehe diesen Mann, der dein Geschäft kaputt macht. Ich denke, ich kann dich nicht verlassen. Also bleibe ich und bekomme Arbeit in einem Restaurant. Ich wohne in deiner Straße. Ich rufe meine Kinder an und sie verstehen. Sie wollen auch, dass dir nichts passiert. Also passe ich auf dich auf. Manchmal, in der Nacht, verscheuche ich den Mann, bevor er dein Geschäft kaputt machen kann. Manchmal will ich dich warnen, aber dann mache ich dir und deiner Freundin Angst. Also bleibe ich wieder weg. Und heute Nacht – ein Feuer. Wenn du mich am meisten brauchst, bin ich nicht da. Ich komme von meiner Arbeit zurück, und ich sehe den Rauch und ich höre den Alarm. Die Tür ist offen, und ich finde dich da drin.« Seine Schultern sackten herab. »Ich hätte früher da sein sollen. Es war so spät. Ich wollte, dass dir nichts passiert, und dann …« Seine Stimme erstarb.
Ich starrte ihn an. Da nahm ich nun schon seit so vielen Jahren hin, dass ich keinen Vater hatte, und plötzlich saß er vor mir. Ich habe einen Vater . Meine Gedanken summten und stachen wie Bienen, nachdem ihr Stock von einem Stein getroffen worden ist. Hätte ich etwas Zeit gehabt, mir diese Begegnung auszumalen, wäre ich vielleicht besser vorbereitet gewesen. So war ich einfach nur baff. Seit ich als Jugendliche begonnen hatte, die Existenz meines Vaters zu ignorieren, wie es meine Mutter offensichtlich auch tat, hatte ich so gut wie nie mehr an ihn gedacht. Für diese Situation hatte ich keinerlei Regieanweisungen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Meine Mutter hatte mir nie auch nur den geringsten Hinweis darauf gegeben, was für ein Mensch er war. Hatte sie ihn geliebt? Hatte er sie schlecht behandelt? Was hätte sie davon gehalten, dass er nach all den Jahren so unerwartet in mein Leben platzte? Es gab nichts, woran ich mich orientieren konnte. Ich musste allein entscheiden, wie ich damit umgehen wollte.
Ich betrachtete den Mann. Ich hegte keinen Groll gegen ihn. Im Gegenteil – ich war sogar froh, dass er da war, auch wenn der Umstand, dass sich unser Stalker gerade als mein Vater entpuppt hatte, mein Gehirn fast so stark strapazierte wie die optischen Illusionen in einem Gemälde von Escher. Ich atmete tief ein. Meine Lungen fühlten sich schon besser an. Ich nahm die Maske vom Gesicht.
»Du hast mich gerettet«, sagte ich. »Danke.«
Er wurde rot und blickte auf seine Hände. »Leider habe ich nicht mehr tun können. Dein Geschäft … ist kaputt.«
Meine Küche! Ich biss mir auf die Lippe. »Ist es abgebrannt?«
Miguel – es würde eine Weile dauern, bis ich ihn meinen Vater nennen konnte – schüttelte den Kopf. »Nein, es ist immer noch da. Aber die Küche ist ganz schwarz. Der Rauch und das Wasser von der Feuerwehr haben viel kaputt gemacht.« Er streckte die Hand nach mir aus, schien es sich dann aber anders zu überlegen und ließ sie sinken. »Aber ich glaube, es wird wieder gut.«
Meine Gedanken kehrten zu dem zurück, was er vorhin gesagt hatte. Es war leichter, sich mit dem Treat zu beschäftigen als mit der Tatsache, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben mit meinem Vater sprach. »Du kennst also den Mann, der das Feuer gelegt hat?«, fragte ich. »Hast du ihn dabei beobachtet?«
Miguel runzelte die Stirn. »Nein«, sagte er. »Ich habe es nicht gesehen. Aber ich glaube, es ist derselbe Mann, der die anderen Sachen ebenfalls gemacht hat. Ich habe gesehen, wie er auf das Fenster gemalt hat. Einmal hat er einen Stein geworfen. Er ist groß und breit. Ein Weißer. Ach!« Er schnaubte frustriert. »Ich zeige ihn dir auf einem Bild. Ich erkenne ihn, wenn ich ihn sehe.« Niedergeschlagen sackte er auf seinem Stuhl zusammen. »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass uns das irgendwie hilft.«
Ich setzte mich im Bett auf und dachte nach. »Das macht nichts. Wir haben jetzt eine Überwachungskamera im Laden, darauf müsste er zu sehen sein.«
Miguel
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