Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
den Rücken gebunden ist. Es wäre mir wirklich lieber, wenn du ein andermal anrufen könntest.«
Irgendetwas sagte mir, dass ich beim nächsten Mal nur den Anrufbeantworter zu hören bekäme, wenn ich mich jetzt abwimmeln ließ. Es war wohl besser, in den Geschäftsmodus zu schalten.
»Dann fasse ich mich kurz«, sagte ich und begann, auf der Veranda hin und her zu gehen. »Deine Cupcakes sind die besten, die ich jemals gegessen habe, und ich habe in meinem Leben schon mehr Cupcakes probiert, als ich zugeben würde. Und das sage ich nicht nur aus Höflichkeit. Ich bin sicher, dass wir mit deinen Backkünsten und meiner Erfahrung mit Existenzgründungen ein Cupcake-Café eröffnen könnten, vor dem die Kunden von morgens bis abends Schlange stehen. Ich kann das Startkapital zur Verfügung stellen. Das ist mein Job, Annie, und ich mache meinen Job gut: Ich investiere in Unternehmen und führe sie gezielt zum Erfolg. Ich werde ein knappes Jahr in San Francisco bleiben – mehr als genug Zeit also, um das Ding zum Laufen zu bringen und in die Gewinnzone zu kommen. Und wenn es so weit ist, ziehe ich mich zurück, und du wirst alleinige Inhaberin.«
Da Annie nicht sofort antwortete, sprach ich hastig weiter. »Ich weiß, was du jetzt denkst: Noch ein Cupcake-Café? Braucht die Welt das? Und du hast Recht, seit Anfang der 2000er liegt traditionelles amerikanisches Gebäck voll im Trend. Vor allem bei den verunsicherten New Yorkern, die darüber die Wirren nach dem 11. September vergessen wollen. Und die Szenen aus Sex and the City haben natürlich auch dazu beigetragen. Die Leute rennen der Magnolia Bakery die Türen ein, um dort wie Carrie und Miranda Cupcakes zu essen. Aber weißt du was, ich habe die Cupcakes von Magnolia probiert – staubtrockener Teig und eine Creme, bei der einem der Zucker zwischen den Zähnen knirscht. Überhaupt kein Vergleich zu deinen! Außerdem …« Ich geriet angesichts ihres eisernen Schweigens ins Stottern. »Die wahren Insider bestellen dort den Bananenpudding, nicht die Cupcakes.« Was redete ich da nur für belangloses Zeug? Das war doch sonst nicht meine Art, zumindest war es das bisher nicht gewesen. Warum versuchte ich, sie zu beeindrucken? Es ist bloß Annie , sagte ich mir. Komm wieder runter.
»Ich will damit nur sagen, dass ganz offensichtlich eine Nachfrage nach Cupcakes besteht. Das wird sich so schnell nicht ändern, das garantiere ich dir. Und deine sind einfach die besten. Also lass mich dir helfen.« Ich machte eine Pause, um die Wirkung meines letzten Arguments, das ich mir unbewusst schon zurechtgelegt hatte, noch zu erhöhen. »Du verschwendest nur dein Talent, wenn du nicht auf eigene Rechnung arbeitest.«
Ich schluckte. Stille am anderen Ende der Leitung. Und dann:
»Mensch, Julia, das ist aber wirklich lieb von dir, dass du hier mit Pauken und Trompeten ankommst und versuchst, mein verschwendetes Leben zu retten. Was würde ich arme Versagerin nur ohne dich tun?«
»Was? Nein, das wollte ich damit doch überhaupt nicht …«, stammelte ich.
»Ich lehne dein großzügiges Angebot dankend ab. Und jetzt muss ich wirklich Schluss machen. Tschüss.«
Und weg war sie. Ich nahm das Telefon vom Ohr und starrte es ungläubig an. Was war das denn gerade? Ich lehnte mich gegen die Brüstung der Terrasse und ließ den Blick über das noch junge Grün der Marin Headlands auf der anderen Seite der Bucht schweifen, während ich meine Gedanken sortierte.
Annies Stimme hatte so hart, so distanziert, ja so wütend geklungen. Es war vielleicht nicht blanker Hass gewesen, der mir da entgegengeschlagen hatte, aber doch deutliche Abneigung. So hatte sie früher, in unserer Kindheit, ganz sicher nie mit mir gesprochen. Ich hatte sie als tapfer, eigenständig, klug und warmherzig in Erinnerung; Eigenschaften, um die ich sie immer beneidet hatte. Jetzt war ihr Ton viel härter, eher sarkastisch als witzig, und ihre Worte trafen bis ins Mark.
Es tat weh, wie sie mit mir umging.
Natürlich konnte ich mir denken, weswegen Annie so sauer auf mich war. In unserem letzten Highschool-Jahr hatte sie viel durchmachen müssen, und ich wusste, dass ich es ihr nicht gerade leichter gemacht hatte. Als ich an diese Zeit zurückdachte, wurde ich von ungewohnten Gefühlen überwältigt – trotzige Abwehr, Reue und zuletzt: tonnenschwere Traurigkeit. Ich überquerte die Terrasse und ließ mich wieder auf den Liegestuhl sinken. Traurigkeit! Ausgerechnet ich, die ich immer zielstrebig an meinem
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