Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
die Sache in die Hand zu nehmen.«
Ich zwang mich zu einem Lachen, und mein Vater hob die Augenbrauen. Scheiße , dachte ich. Warum fällt es mir neuerdings so verdammt schwer, meine Gefühle zu verbergen? Ich schob mir einen großen Löffel Beeren in den Mund und versuchte, genussvoll zu kauen.
»Oder stimmt etwas nicht bei dir und Wes?«, fragte er. Seine Stimme nahm einen väterlich beschützenden Ton an. »Ist etwas passiert?«
»Nein! Nein, Dad. Mit Wes läuft alles bestens. Wes ist einfach großartig.«
Wesley Trehorn und ich hatten uns vor anderthalb Jahren auf einer Party von einer Studienfreundin von mir in Manhattan kennengelernt. Wes war fünfunddreißig und hatte den Charme eines erwachsenen Mannes. Mit seinen breiten Schultern, dem kantigen Kinn und der schwarzen Brille war er genau mein Typ – Jason, mein bester Freund an der Columbia University, hatte mich immer mit meinem »Clark-Kent-Fetisch« aufgezogen. Aber Liebe auf den ersten Blick war es trotzdem nicht gewesen, obwohl mich die Mischung aus herzlicher Südstaaten-Lässigkeit und scharfem Verstand sofort für ihn eingenommen hatte. Es war eher Liebe-beim-dritten-Date, als Wes mir mehr über die Firma erzählte, die er gerade gründete; ein Unternehmen, das kleine, günstige, robuste Computer herstellen sollte, um die Bildungsmöglichkeiten von Kindern in der dritten Welt zu verbessern. Er sprach voller Hoffnung und Begeisterung, und seine Augen leuchteten dabei vor Ehrgeiz. Ich spürte ein leichtes Ziehen in der Brust, als würde sich mein Herz einen neuen, etwas unsicheren Platz suchen.
Manche von Wesleys Eigenschaften kannte ich von mir selbst – auch ich war ehrgeizig, zu ehrgeizig vielleicht. Nachdem ich meinen MBA an der Columbia gemacht hatte, war ich bei Lane Thomas Ventures eingestiegen, einem der führenden Risikokapitalunternehmen von New York. Dort hatte ich schnell bewiesen, dass mir mein Vater sein untrügliches Gespür für den zu erwartenden Erfolg oder Misserfolg eines Hightech-Start-ups vererbt hatte. Aber es waren mehr die kleinen Unterschiede zwischen Wes und mir als die Gemeinsamkeiten, die mich faszinierten. Er war wie eine Julia St. Clair 2.0 – eine Spur zu ehrgeizig, aber Feuer und Flamme für die gute Sache, ohne dabei ein naiver Träumer zu sein. Ich hätte mein Leben nicht mit jemandem teilen können, der keinen Wert auf tägliches Duschen und einen guten Anzug legte, Südstaaten-Akzent hin oder her. Nein, selbst wenn Wes seine Vision beschrieb, wie seine Firma das Leben von Kindern in Armut verbessern würde, dachte er zugleich an die Veränderungen in seinem eigenen Leben, die er damit anstrebte. Er hatte große Pläne für das wunderbare Leben, das er sich aufbauen wollte, und es dauerte nicht lange, bis daraus unser gemeinsamer Traum wurde.
Nach dem Frühstück mit meinem Vater setzte ich mich auf die Terrasse und blätterte halbherzig ein Hochzeitsmagazin durch. Auf jeder Seite nichts als perfekte, strahlende Bräute. Selbst auf den Fotos von echten Hochzeiten, die echte Bräute am Tag ihrer Trauung zeigten, sahen die Bräute so fröhlich aus, dass es fast absurd wirkte. Heuchler , dachte ich und ließ das Magazin neben meinen Liegestuhl fallen. Traute sich denn keine Braut, die Unsicherheit zu zeigen, die sie vielleicht empfand, auch wenn sie die Liebe ihres Lebens heiratete? War es wirklich möglich, dass all diese Frauen ganz genau wussten, was die Zukunft für sie bereithielt? Oder machte ihnen die Ungewissheit einfach nichts aus? Ich war doch sicher nicht der einzige Kontrollfreak, der den Weg zum Traualtar beschritt?
Die Morgenluft war noch kühl, aber in der Sonne war es bereits angenehm warm, also stellte ich die Rückenlehne zurück und schloss die Augen. Das Sonnenlicht ließ rote Muster auf meinen Lidern tanzen, meine Gedanken schweiften ab, und plötzlich lag ich wieder in dem Krankenhausbett und blinzelte benommen die schon etwas ältere Krankenschwester an, die sich über mich beugte. Von irgendwoher war ein Schluchzen zu hören, ein leises, primitives Geräusch. Der Ausdruck von Trauer , dachte ich , ist seit Urzeiten derselbe geblieben . Ich spürte einen hohlen Schmerz in mir, als ich erkannte, dass ich es war, die weinte. Mit tränenverquollenen Augen drehte ich mich auf die Seite. Der Kummer zerriss mir schier das Herz.
»Hat Sie jemand begleitet? Soll ich im Wartezimmer Bescheid sagen, dass Sie wach sind?«, fragte die Krankenschwester und tätschelte meine Hand. Über dem mit
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