Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
Aufmerksamkeit von einem Fremden hätte Gus in dieser großen lauten Welt da draußen nur noch nervöser gemacht. Die ersten hundert Meter hielt Jake sich tatsächlich zurück, doch dann begann er, Koselaute von sich zu geben, wuschelte Gus liebevoll durch das schwarzbraune Fell und fütterte ihn mit einem Stück Chorizo, dass er offenbar im El Farolito in einer Serviette hatte mitgehen lassen, ohne dass ich es bemerkt hatte. Gus schmiegte sich an Jakes Bein und sah hingebungsvoll zu ihm auf, während er die Wurst hinunterschlang. Einen Augenblick lang wedelte er sogar selbstvergessen mit dem Schwanz.
»Und, wann kann ich dich wiedersehen?«, fragte Jake und kniff von der Sonne geblendet die Augen zusammen, als er seinen Blick von Gus löste und mir zuwandte.
JAA!, schrie der Teenager in mir.
»Wir können ja mal telefonieren«, sagte die erwachsene Annie, die zum ersten Mal an diesem Tag die Oberhand behielt.
4 – Julia
Als Jacqueline, das Dienstmädchen, Wes die Tür öffnete, rannte ich aus dem Schlafzimmer. Doch ich war schon zu spät: Die heisere Stimme meiner Mutter drang so klar und deutlich die Treppe herauf, als stünde sie direkt neben mir.
»Ach, Wesley, wie schön, dich zu sehen! Julia hat uns gar nicht verraten, dass du kommst. Offenbar will sie dich ganz für sich alleine behalten.«
Wes’ Antwort war zu leise, um sie zu verstehen, aber ich hörte die Wärme in seiner Stimme und den Südstaatenakzent, den er nie ganz abgelegt hatte. Ich liebte seine Stimme. Ich liebte die Art, wie er die Vokale samtweich in die Länge zog; ich stellte ihn mir gerne vor, wie er bei seinen Meetings überall auf der Welt eine Bodenständigkeit und gleichzeitig eine Weltgewandtheit vermittelte, die für einen erfolgreichen amerikanischen Geschäftsmann völlig untypisch war. Ich liebte es, ihn anderen vorzustellen und ihre Reaktion zu beobachten, wenn dieser große, liebenswürdige, bedächtige Mann von WLAN-Empfangsverstärkern und den komplexen sozioökonomischen Zusammenhängen in Entwicklungsländern zu sprechen begann. Er übte einen Sog, eine Anziehungskraft auf andere aus, der offenbar niemand widerstehen konnte, am allerwenigsten ich. Eigentlich war er nicht der Typ Mann, den ich mir als Partner fürs Leben ausgesucht hätte, aber wahrscheinlich liebte ich ihn auch dafür.
»Überraschung hin oder her, ich freue mich sehr über deinen Besuch«, sagte meine Mutter gerade, als ich die Treppe hinunterging. Ihre Hand lag verschwörerisch auf seinem Arm. »Seit sie hier ist, ist Julia die ganze Zeit miesepetrig und macht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Du kommst wirklich gerade recht.«
»Mutter, du übertreibst«, sagte ich und durchquerte rasch die Eingangshalle. »Wes kennt mich viel zu gut, um zu wissen, dass ich nie miesepetrig bin.« Ich küsste ihn auf die Lippen. »Hi.«
»Na, du?«, sagte er und umarmte mich so fest, dass sich meine Wange in sein glattes Leinenhemd presste. Er war einer dieser großen, breitschultrigen Männer, bei denen selbst Kleidung von der Stange wie maßgeschneidert aussieht. Mit seinem modischen und doch unprätentiösen Stil unterstrich er sein gutes Aussehen, ohne eingebildet zu erscheinen; er wirkte selbstbewusst, aber nicht selbstverliebt. Er hatte etwas so unmissverständlich Männliches an sich, dass ich immer noch weiche Knie bekam, wenn ich ihn sah. Allerdings konnte ich meine Gefühle klar genug einschätzen, um diese romantische Verliebtheit zumindest teilweise dem Umstand zuzuschreiben, dass wir bis jetzt noch nicht einmal in derselben Stadt gelebt hatten und während unserer gesamten Beziehung nie mehr als ein paar Tage am Stück zusammen gewesen waren, oft unterbrochen von mehrwöchigen Pausen. Selbst jetzt, wo wir wenigstens beide an der Westküste wohnten, würden wir uns in dem Jahr bis zu unserer Hochzeit nur unregelmäßig sehen. Wes hatte zwar eine Eigentumswohnung in San Francisco, übernachtete aber häufig in einem Hotel in der Nähe des Hauptsitzes seiner Firma im Silicon Valley. Den meisten Schlaf bekam er wahrscheinlich im Flugzeug, auf seinen vielen Reisen im In- und Ausland, bei denen er Gelder akquirierte und Produktionskooperationen aufbaute. Er hatte mich bereits vorgewarnt, dass er auch in den folgenden Monaten viel unterwegs sein würde. Bevor wir heirateten, wollte er geschäftlich alles unter Dach und Fach bringen, um unsere Hochzeit und die Flitterwochen auf den Fidschi-Inseln uneingeschränkt genießen zu können.
Als er mich
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