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Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Donohue
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Julia und mir immer Cola-Dosen aus seiner Kühlbox zuwarf, wenn wir im richtigen Moment vorbeikamen und ihn schmachtend anguckten. Damals hatten meine Mutter und ich wahrscheinlich mehr Leute in der Nachbarschaft gekannt als irgendjemand sonst; wir kannten die Eltern, die Kinder, die auf den Spielplatz und später auf die Devon Prep gingen, die Haushälterinnen und Nannys und Chauffeure, mit denen meine Mutter befreundet war.
    Mom hatte gern in Pacific Heights gelebt. Der Blick, die prächtigen Villen, die stilvoll gekleideten Nachbarn, die ganze großbürgerlich-urbane Atmosphäre übte eine ungebrochene Faszination auf sie aus. Für sie blieb diese surreale Glitzerwelt immer so neu und aufregend wie am ersten Tag, während mir im Laufe der Zeit klarwurde, was sich hinter dem schönen Schein verbarg. Wo Mom Glamour und Eleganz, Liebenswürdigkeit und Frohsinn sah, sah ich Teenager, die an Bulimie litten, eine halsbrecherische soziale Leiter, an der so manche scheiterten, und Grünschnäbel, die sich schon mit fünfzehn aufführten wie die rechtmäßigen Herren der Welt. Ich wusste, dass ich anders war als meine Mitschüler an den kleinen, teuren Privatschulen, die Julia und ich in den ersten acht Jahren besuchten, aber erst als wir auf die Devon Prep kamen – wo mir die St. Clairs mit ihren Beziehungen und großzügiger finanzieller Unterstützung einen Platz verschafften –, ließen mich die anderen diese Kluft spüren. Es lag wohl weniger an meinen ecuadorianischen Wurzeln als daran, dass meine Mutter Haushälterin bei den St. Clairs war. Wäre mein Vater zum Beispiel ein stinkreicher Minenbesitzer aus Ecuador oder vielleicht auch nur ein Politiker im Exil gewesen, dann hätten an meiner Pinnwand sicher genauso viele glitzernde Partyeinladungen gehangen wie an Julias. Doch meine Familie besaß weder einen Weinberg im Napa Valley noch einen Zweitwohnsitz in Pebble Beach oder wenigstens ein Ferienhäuschen am Lake Tahoe. Wir hatten kein Abonnement für die Oper; ich nahm keine Reitstunden; im Museum of Modern Art war kein Saal nach uns benannt. Ich lebte unter solchen Leuten, aber ich gehörte nicht zum Club. Wir sprachen nicht die gleiche Sprache.
    Ich versuchte nur zweimal, meiner Mutter zu erklären, wie es an der Devon Prep wirklich zuging. Beide Anläufe unternahm ich im letzten Schuljahr. Das erste dieser Gespräche fand unmittelbar vor dem alljährlichen Frühjahrsball unserer Schule statt, um den Julia schon seit Monaten ein Riesentheater machte. Als Klassensprecherin hatte sie beantragt, den Ball in den prächtigen Jugendstil-Saal des Palace Hotels zu verlegen, und weil sie dafür mindestens hundert Unterschriften brauchte, hatte sie ihre Lieblingssklavin, Caroline Rydell, auf die Jungs der Jahrgänge unter uns angesetzt. Denn Caroline hatte ein besonders wirkungsvolles Argument, nein, eigentlich waren es zwei: ihre Brüste. Julia, mit Cupgröße B ganz die elegante Dame von Welt, wusste genau, dass Carolines D-Oberweite in diesem Fall mehr ausrichten würde. Angeblich hatte Caroline die nötigen Unterschriften noch vor den Weihnachtsferien beisammen. Ich war selbst nicht dabei, aber mit seinem Glaskuppeldach und den funkelnden Kronleuchtern bot der Saal bestimmt einen märchenhaft-pompösen Rahmen für den Anlass. Dummerweise hatte ich in den Wochen zuvor den Film Carrie gesehen, und es gibt wohl nichts, was eine Außenseiterin eher vom Besuch ihres Schulballs abhalten würde, als der Anblick einer mit Schweineblut beschmierten Sissy Spacek. Als ich versuchte, meiner Mutter zu erklären, wieso ich meine Mitschüler nicht mochte, machte sie ein so bestürztes Gesicht, dass ich es aufgab und stattdessen behauptete, ich habe Bauchschmerzen und wolle deshalb zu Hause bleiben. Eine Weile war ich fest entschlossen, den Mund zu halten und ihr die Illusion über meine glückliche, sorglose Kindheit und die unverbrüchliche Freundschaft mit Julia nicht zu nehmen. Schließlich hatte sie hart gearbeitet, um mir dieses Leben zu ermöglichen.
    Trotzdem sah ich mich wenig später gezwungen, noch einen Versuch zu starten. Diesmal war die Angelegenheit ernst: Nachdem böse Gerüchte über mich in Umlauf gekommen waren, musste ich meiner Mutter unbedingt meine Sicht der Dinge schildern. Aber kaum hatte ich das Thema zur Sprache gebracht, verdunkelte sich ihr Blick, und ich interpretierte das sofort als einen Anflug von Zweifel.
    »Wie soll mir irgendjemand glauben, wenn es noch nicht einmal meine eigene Mutter tut?«,

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