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Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Donohue
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bemühen. Ich wollte mir gerade einen Weg Richtung Küche bahnen, als eine schlaksige, rothaarige Frau, die mir entfernt bekannt vorkam, auf mich zutrat.
    »Hallo, Julia?«, sagte die Frau in fragendem Ton und entblößte mit einem verlegenen Lächeln ihr unnatürlich weißes Gebiss. »Ich bin Lainey – Lainey Pruott? Vom San Francisco Magazine ? Wir haben uns letztes Jahr bei der Benefizgala für Meals on Wheels unterhalten.«
    Scheiße! Ich straffte die Schultern und versuchte, wieder möglichst klar zu sehen und zu denken. »Lainey!«, gurrte ich und deutete zwei rasche Küsschen auf ihre Wangen an. Gleichzeitig legte ich eine Hand auf ihren Oberarm, um die Herzlichkeit meiner Begrüßung zu verstärken. »Wie schön, dass du kommen konntest! Wie geht es dir? Und wie geht es …« Ich grub in meinem Gedächtnis nach dem Namen ihres Ehemanns, der für den San Francisco Chronicle schrieb und mir damals auch vorgestellt worden war. Warum habe ich nur so viel getrunken? Ein Glas Champagner weniger, und ich hätte den Namen sofort präsent gehabt. Eigentlich hatte ich ein unfehlbares Gedächtnis, das mir im Job und im gesellschaftlichen Nahkampf als verlässliche strategische Waffe diente. Doch diesmal ließ es mich im Stich. Ich erinnerte mich nur, dass Lainey Pruott nach jedem Satz eine fragende Pause machte, was ihre Gesprächspartner nach einer Weile völlig aus dem Konzept brachte. Und wenig später durfte man dann auf den Hochglanzseiten ihres Magazins wenig schmeichelhafte und aus dem Kontext gerissene Zitate lesen, zum Beispiel die Behauptung, man habe die Obdachlosen der Stadt als »unschönen Fleck auf einem ansonsten makellos reinen Diamanten« bezeichnet – ganz egal, ob es sich bei der Unterhaltung um eine unverfängliche Plauderei oder ein Interview gehan delt hat – es kommt eben immer ganz auf den Kontext an.
    »Tim?«, half Lainey mir bereitwillig aus. Sie war sichtlich erfreut, dass ich mich überhaupt an sie und ihren Mann erinnerte. Ich nippte an meinem Champagner, um meine Erleichterung zu verbergen.
    »Ach ja, natürlich«, sagte ich. »Ist Tim auch hier?«
    »Leider nein! Er war schon anderweitig verpflichtet … Aber ich habe ihm versprochen, uns beide zu vertreten … Er hat fest vor, irgendwann in den nächsten Wochen selbst mal vorbeizuschauen.«
    »Wunderbar! Wir werden ihm einen würdigen Empfang bereiten. Hast du schon einen Cupcake probiert?«
    »Ähm … drei?« Als Lainey nervös kicherte, sah man den Schokoladenrand an der Oberkante ihres rechten Eckzahns. »Ich weiß, das ist ein ganz besonderer Abend für dich … Aber hättest du Zeit für ein kurzes Interview?«
    »Ein Interview?«, wiederholte ich. »Jetzt?« Offensichtlich waren Laineys verwirrende Fragezeichensätze ansteckend. Ich räusperte mich. »Gern. Ich hole nur schnell meine Geschäftspartnerin, Annie Quintana.«
    »Ist dafür nicht später noch Zeit?«, sagte Lainey hastig und zückte ein Notizbuch. »Außerdem bist du bei unserer Leserschaft viel bekannter. Du schmückst doch schon seit der Zeit unseres Debütantinnenballs unsere Seiten. Julia St. Clair eröffnet ein Cupcake-Café! Ist das nicht eine tolle Story?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Unser Erfolgsrezept beruht einzig und allein auf Annies Backkünsten.« Ich warf einen Blick zu Annie, die immer noch neben Jake stand und mit ihm schäkerte, als wäre sie ein unbeteiligter Gast und nicht die Chefin des Lokals, dessen Eröffnung gerade gefeiert wurde. Undankbar . Kaum war mir dieses Wort durch den Kopf geschossen, packte mich das schlechte Gewissen. Aber warum sollte ich bei all der Großzügigkeit, die ich in den letzten Monaten an den Tag gelegt habe, ein schlechtes Gewissen haben? Schuldig sollte ich mich da nun wirklich nicht fühlen.
    Lainey lächelte mich ermutigend an und brachte ihren Stift in Anschlag.
    »Ja, ich verstehe, was du meinst«, sagte ich langsam. »Dann sollen deine Leser auch bekommen, was sie wollen.«
    Eine Stunde später genoss ich diesen himmlischen Zustand der Trunkenheit, in dem man von einer anregenden Energie durchströmt wird und die Nerven angenehm in Watte gepackt sind. Angesichts der vielen Gläser Champagner, die ich schon intus hatte, hatte ich mich noch hervorragend im Griff; ich plauderte fröhlich mit jedem, der mich ansprach, ohne dabei zu aufgedreht zu wirken. Als Jake zu mir kam und witzelte, dass man mir wohl K.-o.-Tropfen an den Cupcake getan hatte, erwähnte ich die Szene zwischen ihm und Annie nicht einmal. Seine

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