Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
sprechen. Sie schien das aber gar nicht zu bemerken, sondern gab unverdrossen weiter ihre Meinungen, Anekdoten und Ratschläge von sich, bis man den Eindruck hatte, dass jedes Zimmer im Haus von ihrem Geplapper erfüllt war und niemand anders mehr Luft zum Atmen hatte.
Sie schien meine Verstimmung bemerkt zu haben, denn sie fügte hinzu: »Wenn es dich beruhigt, werde ich in nächster Zeit darauf achten, ob mir irgendetwas Ungewöhnliches auffällt. Du hast schon genug andere Sorgen.«
Welche anderen Sorgen meint sie genau? Die Arbeit, die ich mit unserem Café habe? Die Hochzeit? Oder etwas ganz anderes? Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob meine Mutter sich wohl den wahren Grund dafür zusammengereimt hatte, dass ich im Sommer so unvermittelt nach Hause zurückgezogen war. Sie fuhr sich mit ihren manikürten Fingernägeln durch die weißblonden Haare, um eine nicht existente verrutschte Strähne zurechtzuzupfen, und musterte mich mit ihren blassblauen Augen.
»Mein Liebes, du glaubst doch wohl hoffentlich nicht, dass diese kleinen Marotten deines Vaters mich von deinem größten Problem ablenken können.«
Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. »Welches Problem meinst du?«
»Das Kleid , Liebling!«, stöhnte sie. »Dein Brautkleid! Alles andere kann ich organisieren, aber das Kleid … wir müssen es einfach aussuchen gehen. Und dieses ›wir‹ ist nicht als Pluralis Majestatis gemeint. Du und ich müssen es aussuchen gehen, mit Betonung auf du . Die Zeit rennt! Es sind nur noch sechs Monate bis zu deiner Hochzeit! Manche Brautkleider müssen Jahre vorher bestellt werden!«
Ach ja, das Kleid! Diesen wesentlichen Bestandteil der Hochzeitsvorbereitungen hatte ich natürlich nicht vergessen, sondern ihn nur wie alle anderen Dinge, die mit der Hochzeit zu tun hatten, in einen mentalen Ordner mit der Aufschrift »noch zu erledigen« gepackt und irgendwo zwischen meinen Gewinnkalkulationen für das Café und den neuen Nagellack-Winterfarben aus der Vogue verstaut. Ich zückte mein Telefon und warf einen Blick in meinen Online-Kalender. Ich hatte jeden Tag einen Zeitblock für das Treat reserviert, und diese Stunden waren mir inzwischen so heilig wie meine großen Joggingrunden, die morgendliche Lektüre des Wall Street Journal und die seltenen Wochenenden, an denen Wes und ich unsere Smartphones zu Hause ließen und uns auf den Weinberg meiner Eltern in St. Helena zurückzogen. Obwohl ich mich dagegen sträubte, meine Zeit im Treat auch nur an einem einzigen Tag zu verkürzen – und dabei Annie vielleicht im Stich zu lassen und höchstwahrscheinlich eine interessante Verkaufsgelegenheit zu verpassen, wenn Devi allein an der Kasse war –, konnte ich am Gesichtsausdruck meiner Mutter ablesen, dass ich keine andere Wahl hatte.
»Kannst du dir den dritten Dezember freihalten?«, fragte ich also.
Meine Mutter nickte erfreut. »Für dich doch immer.« Dann runzelte sie die Stirn, was sich bei ihr nur in zwei kleinen Furchen rechts und links ihrer Nasenwurzel zeigte. »Aber ich warne dich, wenn du wieder in letzter Minute …«
»Ich werde da sein, Mom. Ich verspreche es.«
»Gut.« Sie machte auf ihren Kitten Heels kehrt. »Hör mal, Tad, mein Lieber!«, sagte sie, während sie die Treppe hinunterstöckelte. Sie hatte die Angewohnheit, sich wie selbstverständlich mit Leuten zu unterhalten, die nicht einmal in Sichtweite waren. Offenbar ging sie davon aus, dass die ganze Welt innehielt und ihr lauschte, sobald sie sprach. »Wenn du die Cartier nicht findest, musst du eben die Tiffany tragen!«
19 – Annie
Eine Woche vor Thanksgiving hatten Jake und ich eines dieser schon geradezu unrealistisch perfekten Dates, die ich immer für eine Erfindung der Drehbuchautoren von Liebeskomödien mit Kate Hudson gehalten hatte. Wir aßen in einem winzigen italienischen Restaurant in North Beach zu Abend, auf einer von funkelnden weißen Lichterketten überspannten Terrasse, auf der mehrere Heizstrahler für behagliche Wärme sorgten. An solchen Abenden konnte man leicht vergessen, dass der Mann, von dem man ausgeführt wird, eigentlich mit einer anderen verheiratet ist. Der teure Wein schmeichelte meinem Gaumen mit den warmen Aromen von Feigen und Vanille. Der Mozzarella schmolz auf meiner Zunge wie Sahne, und die gemischten Waldpilze verliehen den hausgemachten Pappardelle, die auf meinem Teller glänzten, eine herzhaft-erdige Note. Das Dessert – natürlich meine Bewährungsprobe für jedes Restaurant – war ein
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