Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
von dem einen oder anderen Kondom oder Crack-Röhrchen, über das ich auf dem allmorgendlichen Weg vom Auto zum Café steigen musste, und den harmlosen Schmierereien, die gelegentlich auf der Eingangstür auftauchten, schien der Mission District uns eine wohlverdiente Pause von den Ärgernissen der ersten Wochen zuzugestehen.
Als ich an diesem Morgen im Treat ankam, hatten sich Annie und Tanya, eine der beiden Küchenhilfen, längst an die Arbeit gemacht. Auch Eduardo, der Spüler mit den stark behaarten Unterarmen, der offenbar kein einziges Wort Englisch beherrschte, war schon da.
»Morgen allerseits«, sagte ich in die Runde. » Buenos días «, rief ich in Eduardos Richtung.
Annie schüttelte lächelnd den Kopf. Ihr bronzefarbenes Gesicht und die bloßen Arme leuchteten in der warmen Küche regelrecht gegen ihre dunkelrote Schürze, und ihr dunkler Pferdeschwanz war mit Mehl besprenkelt. »Na, da haben wir wohl einen multikulturellen Tag erwischt«, neckte sie mich. »Was gibt’s?«
»Ich wollte nur Hallo sagen.« Ich nahm einen noch nicht verzierten Birne-Zimt-Cupcake vom Abkühlgitter und brach geistesabwesend ein Stück Teig ab.
»Den bezahlst du aber, oder?«
»Setz ihn auf meine Rechnung.« Die Birne schmeckte zart und süß. Ogdens Biobirnen waren ihren stolzen Preis wirklich wert. Ich lehnte mich an den Türrahmen und brach noch ein paar kleine Brocken ab. Eigentlich wollte ich eine Idee loswerden, die ich schon länger mit mir herumtrug, doch als ich zusah, wie Annie in ihrem Reich das Regiment führte, verspürte ich eine ungewöhnliche Scheu. Ich staunte immer wieder darüber, wie sie sich veränderte, sobald sie in der Küche am Werk war. Außerhalb des Cafés war Annies Sarkasmus wie ein Schutzschild einer etwas verloren wirkenden Frau; hier, in der Küche, war sie hingegen ganz in ihrem Element – eine Meisterin ihres Fachs, die Zuversicht und Glück ausstrahlte. Und sie wusste, dass sie gut in dem war, was sie tat. Insgeheim beneidete ich meine Freundin um diese Leidenschaft für das Backen, die ihrem Leben Sinn und Gestalt gab. Ich blickte auf den Cupcake in meiner Hand und stellte fest, dass ich ihn fast aufgegessen hatte. Im gleichen Moment schaltete Annie endlich den dröhnenden Mixer ab, drehte sich um und registrierte verblüfft, dass ich immer noch in der Tür stand.
»Oha, Tanya«, sagte sie, ohne die Hand vom Schalter des Mixers zu nehmen. »Ich glaube, die Chefin hat uns auf dem Kieker. Wer wohl als Erstes gefeuert wird?«
Tanya, die sich gerade zum Backofen hinuntergebeugt hatte, richtete sich erschrocken auf.
»Annie!«, rief ich lachend. »Hör am besten gar nicht hin, Tanya. Sie ist grausam.«
»Was willst du dann?«, fragte Annie und stützte die Hände in die Hüften. »Hast du keine Zahlen mehr, die du durchrechnen kannst?«
»Sehr lustig, du Schlaubergerin.« Trotzdem rührte ich mich nicht vom Fleck. Warum druckste ich nur so herum? Es war doch keine große Sache. »Kann ich dich kurz sprechen? Vorne im Laden?«
Annie sah mich fragend an, wischte sich die Hände an der Schürze ab und folgte mir in das noch unbeleuchtete Café. In der nachsichtigen Morgensonne wirkte die Twentieth Street vor unserem Fenster geradezu hübsch herausgeputzt.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Annie, nachdem sie die Küchentür hinter sich geschlossen hatte.
»Ja, klar. Alles bestens. Es ist nur …« Ich wurde rot. Nun frag sie schon endlich! Allmählich wurde es peinlich.
Annie lehnte sich an die Theke und schob die Vitrinentür auf und zu. »Hör zu, Julia«, sagte sie plötzlich. »Ich weiß, was du willst.«
»Echt?«
»Ja, und ich muss deine Bitte leider abschlagen. Ich kann dir nicht noch mehr Geld leihen«, sagte Annie mit ausdrucksloser Miene. »Hör auf, mich anzupumpen. Es wird mir langsam echt zu viel.«
Ich lachte und entspannte mich ein wenig. »Du bist echt gut drauf heute Morgen.«
»Na los, raus mit der Sprache. Sonst gibt es heute keine frischen Cupcakes.«
»Okay.« Ich holte tief Luft. »Meinst du, Tanya kommt heute Nachmittag alleine in der Küche klar?«
»Ich denke schon. Warum? Was steht an?«
»Wir suchen mein Hochzeitskleid aus. Du, ich und meine Mutter.«
»Eine Shoppingtour mit der lieben Lolly?« Annie grinste. »Das wird bestimmt ein Riesenspaß. Ich bin dabei.«
Ich atmete auf. »Danke.« Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie so einfach Ja sagen würde.
Annie zuckte mit den Schultern. »Kein Thema. Ich weiß ja, wie sehr du meinem Geschmack
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