Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
Vom Netzwerk:
kleinen Stadt, von der sie übrigens nicht wußte, daß es sie gar nicht gab, weil Willy den Namen aus einer Mischung von Vergeßlichkeit und Hochstapelei aus vier ähnlich klingenden Ortsnamen zusammengeknetet hatte, die sämtlich nichts mit der Île-de-France zu tun hatten, dankbar vor sich hin und faßte sich, denn sie war in eine Stimmung geraten, in der man sie über ihren eigenen Tod mit dem Argument hätte trösten können, es komme für den weiteren Bestand der Welt auf ihr Fortleben durchaus nicht an. Drinnen |353| wurde ihre Beherrschung belohnt. Es schien sich dort nichts weiter Auffälliges ereignet zu haben. Die beiden kleinen Tirolers saßen in den zierlichen rosa Sesselchen wie zwei Wellensittiche, Willy wirkte geradezu massig im Gegensatz zu ihnen.
    Florence hatte sich noch niemals um die Frage gekümmert, mit welcher Frau Henry Tiroler eigentlich verheiratet war. Sie war überrascht, wie gut ihr Anni Tiroler gefiel, und auch Henry Tiroler wäre überrascht gewesen, daß Florence seine Frau nicht unmöglich fand, eine harmlose, dickliche Person in einem zu engen schwarzen Seidenkleid, die unter ihrem zu einem kunstgewerblichen Pony geschnittenen weißen Haar von einer naiven, scheu-kichernden Mädchenhaftigkeit war.
    Florence sagte sich, als ihr klargeworden war, daß die Frau, die sie noch auf der Ausstellungseröffnung für eine ältere Verwandte ihres Freundes gehalten hatte, ganz unzweifelhaft mit Henry Tiroler verheiratet war, wie gut es sei, daß ein Mensch, der mit seinem Geist an den Kosmos heranreiche, ein Wesen an seiner Seite habe, das offensichtlich gutwillig veranlagt sei und seine Schwäche im Praktischen sicher nicht ausnutze, wenn sie gleichwohl auch niemals imstande sein werde, ihrem großen Mann auf den verschlungenen Pfaden seiner Gedanken kongenial zu folgen. Anni, die vor Florence von Anfang an sichtlich Angst gehabt hatte, atmete auf, als Florence hereinkam und freundlich, aber nicht mehr mit ihrem unnahbaren Lächeln sagte, daß man zum Essen gehen könne.
    Willy folgte der Gesellschaft in kleinem Abstand. Florence bemerkte jetzt, daß auf seinen blassen Backen rote Flecken waren, das pomadisierte Haar stand noch mehr ab, er sah aus, als habe er sich soeben von einem Mittagsschläfchen erhoben.
    »Oh, là, là!« sagte Willy, als sie saßen und Linda die aufgeschnittenen Maine-Hummer hereinbrachte, während Dina aus einer medaillengeschmückten Flasche Chablis eingoß, »das gibt’s beim Irrenarzt aber nur, wenn er reiche Irre als Patienten hat. Sagen Sie, Dr. Tiroler, wie machen Sie das, daß Sie an reiche Irre kommen? Vom Geld eines armen Irren kann man doch bestenfalls von Sandwiches leben?«
    |354| »Oh«, kicherte Anni Tiroler, »Mr. Korn ist aber lustig, das hätte ich gar nicht gedacht, so ein lustiger Mann.« Florence schluckte Luft herunter. Henry Tiroler sah auf seinen Teller. Plötzlich wandte er sich mit leicht forcierter Stimme an Florence und sagte: »Ach, Florence, habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, daß ich von der Sorbonne eine interdisziplinäre Vorlesungsreihe ›Sozialpsychologie der modernen Kunst‹ angetragen bekommen habe? Meine gesamte Vorlesung in Philadelphia soll nebenbei ins Französische und Deutsche übersetzt werden, ich korrespondiere soeben mit Professor Castelli und Herbert Read über diesen Plan. Außerdem will mich nun die Universität von Ottawa doch noch zum Ehrendoktor machen, Sie wissen selbst, mir liegt nicht viel daran. Was sagen Sie dazu, daß Anni und ich nächste Woche im Weißen Haus speisen? Ich würde das gar nicht machen, wenn es nicht für die Sache wäre, es ist gut, daß sich gewisse Herren endlich einmal mit den Entwicklungen auf unserem Gebiet befassen. Ich habe zu Anni gesagt, daß wir nur hingehen, um bei dieser Gelegenheit meine Untersuchung über die verheerende Situation bei der psychoanalytischen Erfassung der staatlichen Kindergärten zu überreichen.«
    »Ja, das stimmt, das hat er gesagt«, sagte Anni und lächelte mit kaum verhohlenem Stolz den dumpf vor sich hinbrütenden Willy an. Tiroler war aber noch nicht zu Ende. »Dann denkt man bei Simon & Schuster bereits an eine Gesamtausgabe, die von General Motors gesponsert werden soll. Ich habe den guten Leuten gesagt, daß ich das für etwas früh halte, ich bin noch nicht unter der Erde, und ich habe die Feder noch lange nicht weggelegt, haha.«
    »Ob Sie es glauben oder nicht, so hat er gesprochen«, sagte Anni, als ob sie auf den ungläubigsten Widerspruch

Weitere Kostenlose Bücher