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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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hatte sich inzwischen auf einem adler- und sphingenbestückten Empire-Thronsessel niedergelassen, der weniger wie ein Möbel als wie eine geflügelte Skulptur im Zimmer stand. Er gab sich keine Mühe, sich in der Unterhaltung zur Geltung zu bringen. Seine Mission bestand |405| nur darin, Herrn Bonnetti auszurichten, daß er notieren solle, welche Nahrungsmittel und Gegenstände ihm im besetzten Paris das Leben erleichterten. Meyrishs wollten dafür aufkommen, und die Botschaft in Vichy würde die Vermittlung der Sachen ermöglichen. Oder wünschte Herr Bonnetti vielleicht lieber den Kontinent zu verlassen? Auch dabei könnte geholfen werden.
    Aber Bonnetti war mit zu vielem auf einmal beschäftigt, um auf das Angebot überhaupt näher einzugehen, und Stephan, den nun eigentlich hier nichts weiter gehalten hätte, unterließ es nicht nur, ihn zu drängen, sondern machte es sich bequem und schlug die Beine übereinander, als werde sein Besuch noch eine Weile dauern.
    »Was für eine wundervolle Vorstellung – Amerika!« sagte Herr Bonnetti, der fortwährend umherlief und damit zu tun hatte, seinen Morgenrock, der drohte, vorn aufzuspringen, zu ordnen und neu zuzubinden. »Sehen Sie, dieser Stoff ist zu rutschig, er gibt sich selbst zu wenig Halt, und ausziehen kann ich ihn nicht, denn ich gehöre zu der revolutionären Generation, die das Nachthemd abgeschafft hat und die nun sieht, daß Pyjamahosen kneifen, wenn man anfängt dick zu werden.« Er schien seine beiden Besucher vergessen zu haben. Stephan freilich kam sich als der einzige Besucher vor, er hielt Aimée für einen festen Bestandteil dieses Ateliers und stellte sich vor, daß Bonnetti sie wie eine Hauskatze ernähre, indem er ihr gelegentlich ein Schüsselchen mit Milch hinstellte.
    »Amerika, Amerika. Also, wenn ich alles aufschreibe, was hier fehlt, dann bin ich wohl eine Weile beschäftigt. Oder sollte ich doch lieber gleich nach Amerika gehen? Und mein Atelier? Und Boris? Nein, oh, nein, ich verlasse euch nicht, ich biete den Schurken die Brust«, sang er unter Benutzung einer pucciniësken Phrase und riß den Morgenrock auseinander.
    »Vorsicht«, sagte Aimée von ihrer Sofaecke aus, »nicht undelikat sein!« Bonnetti saß schon an seinem Zeichentisch und schrieb wie ein Schulkind, das vor Anstrengung bei diesem Geschäft die Zunge in den linken Mundwinkel schiebt und jedes Wort, das es geschrieben hat, leise vor sich hin spricht: »Blumen, |406| vor allem folgende Tabletten (füge Rezepte bei), Cognac (viel), Whisky (für Boris, am besten auch viel, obwohl es nicht gut ist), Zigarren, Leinwand (gibt es in Amerika anständige Qualität?).«
    »Vergessen Sie Butter, Eier und Kohlen nicht«, sagte Aimée, »nicht alle Menschen wollen leben und aussehen wie Sie.« Sie rollte sich auf den Bauch und zeigte die schöne Linie, die vom Berg ihrer Schultern geschwungen zu ihrer Taille herabfiel und sich dann über ihr rundes Hinterteil noch einmal als besonders vollendete Kurve zog. Stephan hörte ohnehin nicht zu und war ganz in die Betrachtung dieses beweglichen Körpers versunken. Als ob Aimée ohne ihn zu sehen bemerkt hätte, daß Stephan sie anschaute, nahm sie mit einer ungeduldigen Geschäftigkeit eine neue Position ein, indem sie dabei ihr Gesicht verzog und tat, als habe sie infam falsch gelegen und sich dabei weh getan. Stephan hatte jetzt nur noch ihr Hinterteil vor sich, denn Aimée war, zumindest aus seinem Blickwinkel, fast zur Kugel geworden, weil sie wie ein Säugling die Knie anzog und ihren blonden Lockenkopf darauf zur Ruhe bettete. Aus dieser Position heraus sagte sie mit Kinderstimme: »Ich will Milch haben und was zu essen, ich will auch Spiegeleier haben und ein Stückchen Brot, nur ein Stückchen Brot.«
    »Nur ein Stückchen Brot«, sagte Bonnetti, der von seiner Liste aufblickte und Stephan anklagend in die Augen sah, ohne sich davon stören zu lassen, daß dieser ihm nichts erwiderte, weil er in Aimées Hinteransicht versunken war. »Sie selbst müßten wissen, daß sogar ein deutscher Polizist bei mir kein Stückchen Brot finden würde, seit Sie hierher gekommen sind. Wenn ich nur an Boris denke. Boris wird immer sehr verletzend, wenn er hungrig ist. – Eine indiskrete Frage nebenbei«, sagte er dann mit veränderter Stimme zu Stephan, »Sie sind doch Amerikaner, nicht wahr?« Stephan riß sich von Aimées Hinterteil los und antwortete mit einem verlegenen »Ja«. Willy fiel ihm dabei ein, und er fügte etwas verspätet hinzu, die

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