Das Bett
zusammengerafft hatte und mit verbissener Miene mit ihnen experimentierte: Sie stopfte sie sich ins Kreuz, riß sie wieder unter sich hervor, drückte sie sich in die Kniekehlen, knautschte sie unter ihren Kopf und versuchte auf jede Weise, aus dem Sofa ein für ihren Körper irgendwie erträgliches Lager zu machen. Stephan fühlte mit ihr, niemand wußte besser als er, wie mühevoll das Ruhen sein konnte, wenn man es mit Ernst betrieb, das heißt eben nicht, wenn man erschöpft war und einfach halb ohnmächtig wegsackte, kaum daß die Beine hochlagen, sondern gerade, wenn man sich diesem Geschäft mit Wissen und Willen widmete.
Dann jedoch ließ es sich nicht vermeiden, daß er Bonnettis Befehlen folgte und die Augen abwandte. Der Maler hatte den unteren Teil des Fensterladens, an dem der Tisch stand, ein wenig hochgeklappt. Ein Strahl weißgraues Tageslicht fiel auf sein Blatt, ohne seine übernächtigten Augen zu malträtieren. Bonnetti hatte von einem größeren Blatt einen schmalen Streifen abgeschnitten. »Madame Meyrish bekommt immer nützliche Geschenke von mir als Bonbon. Sonst habe ich für sie immer die Menükarten gezeichnet. Heute bekommt sie als Belohnung für das viele anstrengende Lesen ein Lesezeichen gemalt.«
»Wann werden Sie ihr denn mal einen Topflappen zeichnen?« fragte Aimées trockene Stimme aus dem Hintergrund.
»Aber Madame Meyrish kocht doch nicht selbst«, entgegnete Bonnetti entrüstet und allzu schnell, um selbst zu merken, daß er Aimée nicht verstanden hatte. Dann schlug er sich auf den Mund, denn er fürchtete stets im geheimen, von langsamem und nicht genügend brillantem Geist zu sein, und hatte sich vorsichtshalber unter seinen französischen Freunden den Ruf des großen Schweigers verschafft. Unter Ausländern, wo er seiner Plauderhaftigkeit ungehemmten Lauf gönnen zu dürfen glaubte, waren ihm Niederlagen aus mangelnder Schlagfertigkeit ein besonders bitteres Memento. Er schielte zu Stephan hin, aber der hatte offenbar nichts mitbekommen, und Aimée blieb ohnehin |412| kalt auf jede Entgegnung. Sie hatte ihren Spaß gehabt und war für die Lehre von der kunstvollen Konversation und ihrem feinen Wechselspiel nicht im mindesten zu begeistern.
»Na, was sagen Sie?« fragte Bonnetti. Stephan fiel nichts Rechtes ein. Wäßrige Farbflecken, ineinander verschwimmend, teilweise zart begrenzt wie ein vom Baum gefallenes Blatt, bedeckten die Fläche, die an den Rändern weiß geblieben war. Unten, in ein chaotisches Gebilde, hatte Bonnetti mit der Füllfeder eine Widmung in seiner verspielten, halb kindlichen, halb graphisch kalkulierten Handschrift gesetzt: »Merci, ma petite Ophélie, pour votre corne d’abondance!« Das Datum und dann als Unterschrift »Charlie«. Bonnetti war offenbar entzückt von seinem Werk und sah Stephan mit einer Erwartung an, als glaube er, etwas dermaßen Schlagendes entworfen zu haben, daß jeder, auch der stumpfeste Amerikaner, darüber in einen Begeisterungsschrei ausbrechen müsse. Die gute Stimmung, in die ihn das Aquarellieren versetzt hatte, trug ihn zum Glück über Stephans Hilflosigkeit hinweg; sie gab ihm sogar noch genügend Schwung, um den uninspirierten Betrachter in das Blatt einzuführen.
»Ich sehe schon, ich muß Ihnen das Aquarell erklären, dann wird es Ihnen gewiß ebensogut wie mir selbst gefallen. Sie denken vielleicht, weil das Aquarell so schnell entstanden sei, könne nicht viel daran sein, das sei bloß eine Skizze, ein kleiner Einfall, ein Impromptu? Keineswegs, mein Lieber, der Sie gewiß noch einmal eine wundervolle amerikanische Exzellenz werden, wenn Sie Ihrer Mama keinen Ärger machen wollen, keineswegs. Sie staunen vielleicht, wenn ich das sage, aber Sie werden es sogleich selbst sehen: Das ganze Leben von Madame Meyrish ist in diesem Blatt enthalten. Hier unten, wo ich meine Widmung hingeschrieben habe, entdecken Sie allerhand Unordnung: kleine zierliche Trümmer von Zwergentempeln, nicht größer als Hundehütten, dies hier ist eine Art Plumeau aus einem Internatsbett, hier ist ein Stück Tennisschläger, vielleicht auch eine Pferdetrense, künstliche Blumen, wie man sofort sieht, oder haben Sie schon mal blaue Rosen gesehen? Also bitte. Das symbolisiert |413| sozusagen die Ausgangsposition von Madame Meyrish: das Vassar College, ›Onkel Toms Hütte‹, Sport, Wohltätigkeitsball mit Hermelin, Protestantismus, Musik aus gestopften Trompeten und all die Sachen, die Sie ja kennen. Und jetzt kommt Madame Meyrishs
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