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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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kennenlernen sollen. Dies alles war jedoch keineswegs geeignet, Stephan glücklich zu machen. Er hatte den fatalen Eindruck, daß ohne die katalysatorische Gegenwart Bonnettis ihrer Beziehung unmerklich die Spannung genommen sei. Nicht etwa, daß Aimées Anziehung nachgelassen hätte, nur seine eigene Schüchternheit war gewachsen, denn er sah ganz deutlich, daß die außerordentliche Stimmung, die in Bonnettis Appartement herrschte, nicht seine eigene war. Ohne Bonnetti war alles so schrecklich normal. Es war ihm, als würden er und Aimée wie zwei rotangelaufene Krebse aus einem brodelnden Wassertopf herausgefischt und auf eine eiskalte Silberplatte gelegt. Dabei war Aimée nicht etwa kühl. Er glaubte allmählich sogar festzustellen, daß er ihr gefiel. Sie machte nicht im mindesten Anstalten, förmlich zu sein, keine Zeit zu haben oder sich sonstwie zu verschließen. Aber es kam keine rechte Stimmung auf, auch nachdem sie schon ziemlich viel getrunken hatten. Die Unterhaltung schleppte nicht mehr wie am Anfang, sondern hüpfte lustig, wenn auch nicht ausgelassen, von Stein zu Stein, und keiner der beiden mußte mehr fürchten, daß noch einmal ein Augenblick des Schweigens entstehen würde. Vorher gab es Augenblicke, in denen Stephan glaubte, daß Aimée einfach aufstehen würde, während er an dem Tischchen zurückblieb, als seien ihm von einem Zauberer die Beine in einen Marmorblock verwandelt worden, so daß er, wie |422| einst der orientalische »Prinz im Felsen« in seinem persischen Edelsteinpalast, auf alle Zeiten gelähmt auf die Bank bei »Maxim’s« gebannt war, nicht wachend und nicht sterbend, nicht von Raben, sondern von Kellnern mit komprimierten Delikatessen am Leben gehalten.
    Die Stunden, die Stephan und Aimée bis zum Abend verbrachten, waren anstrengend und langweilig zugleich. Ihre Gefühle füreinander hatten allzu früh einen hohen Hitzegrad erreicht. Die üblichen Stadien der Annäherung lagen längst hinter ihnen, sie konnten nichts mehr damit anfangen. Über das Essen, über Paris, über Ines Wafelaerts und über den Krieg würde man vielleicht wieder sprechen können, wenn etwas Entscheidenderes geschehen war, aber vielleicht würde sich danach auch jede weitere Unterhaltung erübrigen. In jedem Fall war, was sie bis zum Abend sprachen, überflüssig. Es enthielt ein sinnloses Ritardando, das keiner von beiden mehr zu genießen imstande war, weil sie sich beide einander nicht vollständig sicher waren und dennoch nichts tun konnten, um ihre Wünsche zu beschleunigen. Stephans Routine war wie Schnee geschmolzen. Er hätte Aimée ohne zu lügen schwören können, daß sie die erste Frau seines Lebens sei, wenn sie sich dazu entschließe. Aimée hingegen bemerkte seine Befangenheit und führte sie ohne Selbstüberschätzung auch ganz richtig auf sich selbst zurück, und konnte doch aus dieser Beobachtung keinen Nutzen für sich ziehen. Sie vermochte nicht zu spielen oder zu planen, denn sie war überzeugt, daß ihre Begegnung mit Stephan von vorausbestimmter Bedeutung sei, und sie wandte ihre gesamte soldatenhafte Disziplin auf, um sich des Augenblicks wert zu erweisen. Im übrigen litt sie bei weitem nicht so sehr wie Stephan. Das Essen tat ihr gut, und sie konnte den entscheidenden Augenblick abwarten, den sie gewiß nicht verpassen würde, denn sie war wie eine Katze, der es gelingt, harmlos zu dösen und zugleich auf der Lauer zu liegen.
    Stephan war zunächst wie vom Donner gerührt, als Aimée ihn abends ganz einfach fragte, ob sie bei ihm übernachten könne. »Oder ist Ihnen das nicht angenehm?« fügte sie hinzu, |423| als sie bemerkte, daß Stephan schwieg und sie nur fassungslos ansah, nicht unfreundlich übrigens, sondern wie ein Mensch, der bisher taub war und nun vermittels einer modernen elektrischen Apparatur in seinem Ohr zum erstenmal einen zarten Piepton vernimmt.
    »Das Bett ist doch groß genug für zwei todmüde Leute«, sagte sie, »ich habe nebenbei gar keine andere Wahl, denn ich bin aus meinem Hotel geflogen, und für die Brückenbögen bin ich noch nicht fortgeschritten genug in meiner Karriere als Obdachlose.«
    »Mein Gott, Obdachlose«, sagte Stephan, dem dies Wort aus Aimées Mund wie ein Blumenname vorkam, als habe sie von der Schwester der Herbstzeitlosen gesprochen. Er lächelte und gewann seine Fassung zurück. Dies war doch jetzt eigentlich eine Situation, in der er sich auskannte. Zudem befand er sich nun, wo er sich hingewünscht hatte, seit er Aimée

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