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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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in den Kongo gefahren, zu all diesen phantastisch gewachsenen, netten Negern – meinst du, Henry hätte dafür Verständnis gehabt? Die Hüften dieser Neger waren
so
«, sie zeigte mit großen, weißen Händen eine unbestimmte Distanz und sah Florence dabei vorwurfsvoll an. »Ich rate dir eins, mein Kind, reise nie mit einem White Hunter, das sind Tiere, die nicht anerkennen können, daß eine Frau auch Rechte hat. Immerfort wurde nur photographiert und Kaffee gekocht, eine schöne Expedition.«
    Florence war in Gedanken versunken. Sie hatte ein paarmal etwas sagen wollen, aber Ines sprach immer weiter, und schließlich gab sie es auf, ihre Frage zu stellen. Sie erinnerte sich wohl auch ohne weitere Hilfe an Henry. Sie raffte sich zusammen, stellte fest, daß sie immer noch den Brief meiner Tante in der Hand hielt, und tat ihn in ihre Handtasche.
    Ines sagte düster, eine Teetasse ohne Unterteller vor sich: »Diese kleinen Neger waren einfach ein ›must‹.« Aber Florence hörte nicht mehr zu und fragte dann, als ob sie aus einer durch die Flut der Erinnerung erzeugten Starre aufwachte: »Wo sind denn die Preise? Sind die auch alle weg?« – »Nur die silbernen«, antwortete Ines, »die andern hab ich noch.«
    Sie kroch unter das Bett und zog einen Karton hervor, in dem kupferne, vernickelte und auch noch ein paar versilberte Pokale |100| schepperten. Ines nahm einen hohen Kelch in die Hand, der einen Siegerkranz aus Messing trug, gab ihn Florence und sagte: »Der ist noch aus Wafelaerts Zeiten.« Florence las die Jahreszahl und sagte dann: »Aber da gab es doch Henry schon?« – »Bei wem?« fragte Ines giftig. »Ich war damals noch viel treuer, als Wafelaerts es verdiente – du weißt ja, daß er immer gegen meine Rennen war. In dem Jahr habt du und Henry mich vor dem Start in der Box besucht. Henry hat auch ein Bild von mir gemacht, weißt du, das Bild, das er dann, ohne daß du es gemerkt hast, zum Anbandeln mit mir benutzt hat – nein, er wollte es mir nicht schicken, er wollte es nur persönlich übergeben. Das hat er dann auch getan, übrigens in seinem Hotelzimmer. Er war ein großartiger Mann, ein Erlebnis, aber für dich war er nicht der richtige, du warst ihm zu kühl.«
    Florence betrachtete die Photographien mit neuer Aufmerksamkeit. Ines redete weiter: »Hier wurde es dann mal sehr schwierig mit den Männern, alle waren auf einmal aus andern Gründen verschwunden. Bitte, kein Mann ist unersetzbar, aber der Abschied von Oppenheimer ist mir schwergefallen. Er ging nach Südfrankreich, hat übrigens alles überlebt und eine junge Russin geheiratet, das alte Schwein.
    Was ich dich fragen wollte: Ihr müßt es doch da drüben ganz toll haben mit all den phantastischen Sportlern, oh, ich habe mir immer vorgestellt, daß du dir da so ein ganzes blondes Pfadfinderlager hältst.«
    Florence zog die Augenbrauen hoch, nicht aus moralischer Entrüstung, sondern weil sie das Irreale an der Vermutung ihrer Freundin abstieß. Sie empfand einen Abscheu vor allem Ausgedachten, und obwohl sie in der Kunst der Phantasie nicht unbedingt ablehnend gegenüberstand, weil sie gelernt hatte, daß auch Phantasien einer Realität der Seele entsprechen, mit der man rechnen mußte, konnte sie Achtung überhaupt nur einer Erfindung erweisen, die im Boden der Wirklichkeit verankert war und in ihrer Krone bereits wieder die Wirklichkeit berührte. Sie kannte die Erotomanie ihrer Freundin und hatte deren Früchte immer mit Interesse angeschaut. Auch für die Erfahrungen |101| der in diesen Dingen zum äußersten entschlossenen Ines hatte sie jederzeit ein offenes Ohr gehabt, und sie empfand daher den Gegensatz zwischen den erschreckenden Zeichen des Verfalls, die Ines und ihre Lebensumstände trugen, und ihren Konversationsthemen nicht als ernüchternd, sondern als geradezu beruhigendes Zeichen der Kontinuität mitten im allgemeinen Untergang. Dennoch wunderte sie sich, wie unbedenklich Ines, die ihre Florence doch ebenfalls genau kannte, einfach voraussetzte, daß die amerikanische Freundin sich in der Liebe genauso verhielt wie sie selbst. Sie widersprach zwar Ines’ Unterstellungen nie, aber sie hoffte doch zugleich, Ines werde selbst wissen, daß Florence ihre Gewohnheiten nicht teilte und sie nur deshalb immer einbezog, um eine freiere Stimmung für all die erregenden Geständnisse aufkommen zu lassen. Florence spürte wohl, daß sie sich nicht zum Beichtvater eignete und daß die Atmosphäre gemeinsamer Ruchlosigkeit

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