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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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hergestellt werden mußte, um Ines das Gefühl zu geben, keine Bekenntnisse abzulegen, sondern mit ihrer Freundin in Erinnerungen zu schwelgen.
    »Sag mir einmal«, fragte sie dann nach einem Augenblick des Schweigens, während Ines den schwarzen Turban absetzte und sich die Rotkreuzschwesternhaube in die grauen Haare steckte, »was hieltest du davon, wenn ein Psychoanalytiker dir vorschlügen, mit ihm zusammen zu einer C.G.-Jung-Tagung in die Schweiz zu reisen?« – »Was für eine komische Frage«, sagte Ines. »Zugreifen, würde ich dir raten, du bist ja auch nicht mehr die Jüngste – hat dir denn ein Analytiker diesen Antrag wirklich gemacht?«
    Florence war auf einmal beleidigt. Am meisten ärgerte sie sich über die eigene, törichte Frage. Daran war Ines schuld, die niemals ein ruhiges Gespräch aufkommen ließ, in dem man Gedanken und Informationen vorsichtig vorbereitete und ganz unversehens auf einmal da ankam, wo man von Anfang an hinwollte. Die Eindeutigkeit, die ihre Frage in Ines’ Ohr haben mußte, entsprach zudem auch gar nicht der Wahrheit. Wer wußte, ob Tiroler die nächsten Monate überlebte. Seine Einladung, mit ihm in die Schweiz zu kommen, erschien ihr jetzt, |102| nachdem sie die Frage gestellt hatte, als das Wünschenswerteste, aber zugleich Ungewisseste von der Welt.
    »Aber erlaube«, antwortete Florence, »ich habe bisher für jede Stunde bezahlt, wie kannst du nur alles so mißverstehen?«
    »Ich habe auch schon bezahlt«, sagte Ines, »da ist doch nichts dabei. Es ist gut, wenn man sich früh daran gewöhnt. Man glaubt, man ist noch jung, aber die Männer sind wie die Sklavenhändler, denen entgeht nichts.«
    »Er schreibt richtige Rechnungen«, sagte Florence mit dem unsicheren Versuch, endlich alles zu erklären, weil sie fürchtete, Ines könne sich über sie lustig machen, und es nichts gab, was sie mehr verabscheut hätte, denn sie durfte sich mit Recht sagen, daß ihre Intelligenz, die allen andern überlegen war, sie vor vermeidbaren Mißverständnissen und Fehlleistungen bewahrte, und was an unvermeidbaren Irrtümern witzig sein sollte, hatte ihr niemals eingeleuchtet.
    »Nein, Rechnungen hat mir noch keiner geschrieben. Ich habe halt immer einen angemessenen Betrag in die Rocktasche gesteckt und niemals Klagen gehört.« Ines sprach mit einem Nachdruck, der für Florence immer unausstehlicher wurde.
    »Nun hör endlich auf«, antwortete sie scharf, »Dr. Tiroler ist ein seriöser Arzt und außerdem klein und häßlich. Ich wollte nur wissen ...«
    »Du wolltest nur wissen, wie der Schweizer Franken steht, nicht wahr?« sagte Ines. »Liebste, ich weiß von der Psychoanalyse nur, daß Wafelaerts danach nichts mehr von mir wissen wollte. Das mußt du selbst entscheiden, ob du das alles in der Schweiz lernen willst. Ich glaube, es kommt da auch sehr auf den Lehrer an. Hast du Vertrauen zu ihm?«
    Florence sah sie besänftigt an. »Ich habe das größte Vertrauen. Er ist ein einfühlsamer Mensch. Er ist nebenbei berühmt. Er beschäftigt sich mit allem. Er ist nicht borniert. Er liebt die Kunst. Leider mag Stephan ihn nicht, aber meinst du, er nimmt das übel? Er ist so objektiv. Neulich hat er mir sogar gestanden, daß er Stephan wie seinen Sohn betrachte. Das habe ich noch nie erlebt. Er ist ein Mensch, bei dem das Gefühl aus dem tiefen |103| Erkennen heraus entsteht.« Vor dem Fenster wiegte sich bei ihren Worten ein Magnolienbaum, an dem kein einziges grünes Blatt zu sehen war, weil er über und über mit Blüten bedeckt war.
    Kurz vor Florence’ Ankunft in Frankfurt war die Temperatur gestiegen. Der vorher kalte, blaue Himmel hatte sich bedeckt und zeigte von morgens bis abends blau-schwarze Wolken. Feuchtigkeit hing in der Luft, und man wunderte sich allgemein, bei wie geringer Wärme es schon schwül werden konnte. Eine verschwenderische Baumblüte war ausgebrochen. Sie hatte die Bäume der Vorgärten geradezu befallen wie eine phantastische Krankheit. Niemand bekam mit, wie das winterlich tote Holz sich auf solch eine unvernünftige Fülle vorbereitete. In den Straßen des ehemaligen Villenviertels, in dem auch unsere Wohnung lag, waren zur Zeit der Erbauung der jetzt von mehreren Parteien bewohnten Häuser besonders viele Blütenbüsche und veredelte Obstbäume gepflanzt worden. Als Zeichen eines Luxus, der längst gründlich vergangen war, erinnerten sie alljährlich daran, daß man hinter den beschädigten Fassaden einstmals behäbig und anspruchsvoll lebte, daß

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