Das Bett
ein großes, aufwendiges Diner, das sowohl die Aufgabe hatte, als Aufwasch aller gesellschaftlichen Verpflichtungen zu dienen, als auch den Gästen zu zeigen, daß Korns, sofern sie sich überhaupt dazu herbeiließen, Gäste bei sich zu sehen, an Luxus und Geschmack alles in Frankfurt sonst Mögliche übertrafen. Willy staunte am meisten, was Florence bei solchen Anlässen zuwege brachte. Die Ehrfurcht vor ihrer Leistung wurde allerdings nachhaltig durch den Umstand gestützt, daß er allein wußte, was das alles wieder kosten würde. Schon wenn er die ersten Gäste im kerzenerleuchteten Vestibül empfing, trug er auf seinem Gesicht den Ausdruck von Stolz und Behagen, der in seiner Vaterstadt das pantomimische Äquivalent für die Redensart »Gell, da guckste!« darstellte, ein Ausdruck, den er im übrigen augenblicklich wieder verlor, wenn Florence in seine Nähe kam, und den er dann, wie meist in ihrer Gegenwart, eilig durch die Miene schuldbewußter Verlegenheit ersetzte. Zu einer dieser Einladungen hatte Ines, die an diesen Abenden Florence noch mehr als sonst bewunderte, in einem kleinen Brief zugesagt, der auch eine Bitte enthielt.
»Liebste Flo!« begann dieser Brief. »Tausend Dank für die wirklich todschicke Einladung! Komme wie ein Licht! Verzeih mein spätes Schreiben, ich hatte keine Sekunde Zeit bisher, denn Trixi ist mit einer gemeinsamen Freundin aus Paris angekommen, nur auf der Durchreise! Aber sehr gemütlich! Habe schon stundenlang amüsante Junggesellen zusammengetrommelt, um sie zu unterhalten. Kommt Trixi auch auf Dein Fest? |195| Wäre es nicht gemütlich, sie wiederzusehen? Freue mich schon riesig und will ausgeschlafen und schön sein.
Habe allerdings ein kleines Problem, da ich schrecklich gern einen englischen Freund, in Afrika kennengelernt, Du weißt schon, mitbringen würde. Ich wäre Dir äußerst verknüpfelt, wenn das ginge! Tausend Dank im voraus für alles! Grüße ALLE! Liebe Umarmung von Deiner Ines.«
Ines erinnerte sich noch genau, wie Florence, ihre beste Freundin, auf diesen Brief geantwortet hatte, und sie fühlte den Ärger wie am ersten Tag so frisch in sich aufwallen, wenn sie daran dachte, daß Florence sie einfach nicht hatte verstehen wollen. Nun gut, Ines war zu dieser Zeit bereits verheiratet, und Henri Wafelaerts war verreist, aber, und darin war Ines sich sicher, auch Florence lebte doch nicht wie eine Nonne, und es war das mindeste, was sich Frauen untereinander schuldeten, daß sie sich halfen, ihr Privatleben reibungslos über die Bühne zu bringen. Florence hingegen sprach zunächst überhaupt nicht über die Bitte, die den Grund des gutgelaunten kleinen Briefs darstellte, und Ines zweifelte deshalb eine Weile daran, ob sie den Brief überhaupt erhalten habe. Als sie es schließlich nicht mehr aushielt, weil sie ihre Dispositionen treffen mußte, ihren White Hunter nicht länger ohne Nachricht lassen konnte und Florence darauf ansprach, sagte die große Gastgeberin: »Aber natürlich habe ich deinen Brief bekommen, und ich hätte auch schon längst mit dir darüber gesprochen, wenn ich nicht geglaubt hätte, daß du selbst alles längst eingesehen hast.«
»Was eingesehen?« fragte Ines, Böses ahnend, aber immer noch in dem Wahn, die Affäre werde gut für sie ausgehen.
»Aber Ines, Liebes, eingesehen, daß das natürlich nicht geht, selbst wenn ich wollte und selbst wenn Willy, auf den wir auch immer noch ein wenig Rücksicht nehmen wollen, nichts dagegen hätte. Sieh einmal, ich
kenne
deinen Freund doch gar nicht, da kann ich ihn doch nicht einladen. Wenn ich ihn wenigstens
kennen
würde! Es wäre dann immer noch schwierig, weil Willy und Wafelaerts so gute Freunde sind« – eine Bemerkung, die in einem Maße an der Wahrheit vorbeiging, daß Ines sich zu |196| schwach fühlte, sie zu korrigieren. »Und wir wollen doch taktvoll sein«, fuhr Florence fort. »Aber weißt du, das sind alles ganz überflüssige Überlegungen, denn ich
kenne
ihn nun einmal nicht, und da kann man nun einmal nichts machen. Aber du wenigstens wirst bei mir sein zu unserm Essen, das ist doch für uns beide auch sehr schön. Nicht wahr!«
Florence hatte das Wort »kennen« ganz besonders betont. Der Ausdruck der Sätze lag allein auf diesem Verb, was ihnen ein flexibles, eher stählernes Schwingen gab, und das »Nicht wahr« zum Schluß betonte sie nicht, wie üblich, als Frage, sondern machte daraus eine kleine Fanfare aus einer blitzenden Trompete, die eine munter schwätzende
Weitere Kostenlose Bücher