Das Bienenmaedchen
Aber ich war die Brautjungfer. Angie machte das Baby nichts aus.«
Sie nippte an ihrem Tee.
Lucy, die eine ganze Weile ruhig dagesessen hatte, fragte vorsichtig: »Warum hätte es ihr etwas ausgemacht sollen? Tut mir leid, aber ich finde manches von dem, was du erzählst, ziemlich hart. Du stellst Granny nicht immer als besonders netten Menschen dar.«
»Das war sie manchmal auch nicht, Lucy. Aber ich ebenso wenig. Ich schaue auf mich zurück und denke: Wie naiv ich war! Für mich war alles schwarz und weiß, und das muss für jemanden wie Angie sehr ärgerlich gewesen sein. Ich habe Rafe geliebt und seltsamerweise geglaubt, er gehöre zu mir. Aber ich habe rechtzeitig begriffen, dass Rafe sein eigener Herr war. Er schuldete mir nichts, er war frei, sich zu verlieben, in wen er wollte. Und Angie fand ihn eindeutig sehr anziehend, was er ja auch war. Er war der liebste und charmanteste Mann, den man sich wünschen konnte!«
»Glaubst du, sie war verliebt in ihn, als sie sagte, sie würde ihn heiraten?«
Beatrice dachte einen Moment nach. »Vielleicht war sie auf ihre Art verliebt in ihn. Doch das war nichts Dauerhaftes, eher etwas Entzückendes für den Moment. Dann lernte sie Gerald kennen, und er war wirklich der Mann für sie. Die Bombenexplosion – sie hat Angie verändert und ein bisschen erwachsener werden lassen. Gerald war Teil dieses Prozesses. Durch seine Beständigkeit und Zuverlässigkeit konnte sie zur Ruhe kommen.«
»Glaubst du, dass er ein Ersatz für ihren Vater war, der sie immer so kühl behandelt hat?«
»Das glaube ich, ja.«
»Es tut mir so leid für sie. Und für dich natürlich. Ihr wart beide noch so jung!«
»Das waren wir, und wir mussten mit den entsetzlichsten Dingen fertigwerden. Was Beziehungen anging, waren wir allerdings schrecklich unschuldig.« Beatrice’ Gesicht verhärtete sich. »Aber Mitleid für Angie aufzubringen? Das fällt mir sehr schwer!«
Die alte Dame stemmte sich aus dem Sessel hoch, ging zum Fenster und schaute hinaus.
»Später gibt’s vielleicht Regen«, murmelte sie. »Und Mrs P. hat die Handtücher auf der Leine hängen lassen. Würde es dir wohl etwas ausmachen …? Ich kann mich nicht mehr so nach oben recken.«
»Natürlich macht es mir nichts aus«, erwiderte Lucy und sprang auf. »Ich nehme die Wäsche ab, und dann verlasse ich dich. Ich habe dich für heute genug strapaziert.«
»Ich habe es genossen, dir das alles zu erzählen, Liebes, aber ich gebe zu, dass ich jetzt ein bisschen erschöpft bin«, gestand Beatrice und setzte sich wieder hin. »Du musst mir aber versprechen, morgen wiederzukommen.«
Als Lucy gegangen war, saß Beatrice noch eine Weile da und erinnerte sich an jene Hochzeit, die vor so langer Zeit stattgefunden hatte. Es war wirklich ein wunderschöner Tag gewesen. Angelina hatte ein hinreißendes, mit elfenbeinfarbener Spitze besetztes Kleid ihrer Mutter getragen und für Beatrice ein aprikosenfarbenes Nachmittagskleid ausgeliehen, das sie hatte weiter machen müssen. Gerald sah in seiner Uniform sehr stolz aus und bedachte seine Braut mit bewundernden Blicken. Nach der Trauung hatten sie in einem nahe gelegenen Hotel gefeiert. Dort war Beatrice zum ersten Mal Amanda Armstrong begegnet, Rafes und Geralds Mutter. Sie empfand sie als kühl und vornehm, aber auch sehr kultiviert. Ihre Selbstsicherheit bekam leichte Risse, als Beatrice fragte, ob es Neuigkeiten von Rafe gäbe. Das war nicht der Fall, und als sein steifer, soldatischer Stiefvater heranmarschiert kam und seine Frau wegführte, wünschte Beatrice, sie hätte nicht von Rafe gesprochen. Eine Weile stand sie allein da und kämpfte mit den Tränen. Später fing sie den kleinen Brautstrauß, den Angie hochgeworfen hatte, und starrte ihn an.
Geralds und Angies Flitterwochen dauerten ganze zwei Tage, dann musste er zurück zu seinem Regiment. Angie, die nun verheiratet war, schied bei den »Wrens« aus. Das frischgebackene Ehepaar mietete ein Cottage im ländlichen Kent – wegen Angie, weil es nicht weit von London lag, und wegen Gerald, weil es nah genug war, damit er etwa alle vierzehn Tage zu Besuch kommen konnte, wenn es ihm gelang, sich loszueisen.
Beatrice’ Leben ging weiter wie bisher, obwohl etwas Seltsames und Verstörendes passierte.
Seit der Kapitulation Frankreichs ein Jahr zuvor hatte ihre Mutter keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie in der Normandie gehabt. Im August erhielt sie plötzlich auf einem kleinen Streifen Papier eine Botschaft von Thérèse,
Weitere Kostenlose Bücher